Konrad Paul Liessmann und die Religion

"Die Zukunft ist unendlich füllbar"

Anlässlich des bevorstehenden 11. Philosophicums Lech und der Ö1 Reihe "Denken und Leben" von Konrad Paul Liessmann sprach Rainer Rosenberg mit dem Philosophen über Zukunftsaussichten, deren Wandel im Lauf der Zeit und ihre Rolle in den Religionen.

Konrad Paul Liessmann in "Von Tag zu Tag"

Konrad Paul Liessmann sieht in der universalen Tendenz unserer Gesellschaft, alle Lebensbereiche möglichst "zukunftsfit" zu gestalten, letzte Reste von christlichen Heilserwartungen. Er differenziert hier zwischen den Zukunftskonzepten von areligiösen Menschen und denen von Gläubigen.

Bei Letzteren bildet nach wie vor der Gottesbezug den zentralen Bestandteil ihrer Perspektive. Doch auch für Menschen, die keinem Glauben anhängen, seien Konzepte, die über die Gegenwart hinausgehen, sehr wichtig.

Ist die Globalisierung unabwendbar?

Der Faktor "Geld" ist für den Philosophen gerade in der heutigen Zeit ein zentraler, da es als "ein Versprechen für die Zukunft" funktioniere. "Geld an sich ist noch nichts. Es wird immer erst etwas, wenn ich es gegen etwas - eine Ware oder Dienstleistung etwa - eintauschen kann", erklärt Liessmann. Der Kapitalismus hätte dieses Versprechen in weiterer Folge globalisiert. Die Globalisierung selbst wird laut Liessmann zunehmend als Naturgesetz und ihre Folgen als unausweichlich betrachtet. Viele Menschen würden dabei übersehen, dass sie selbst die Akteure in dieser Entwicklung seien und die damit verbundenen Vorgänge nicht zukunftsgesteuert und daher unabänderbar sein können.

"Wir fragen uns nicht, was wir wollen oder gerne täten, was unsere Bedürfnisse und Anliegen sind. Wir fragen uns: 'Was müssen wir tun, um in der Zukunft zu reüssieren?'", resümiert Liessmann. Seiner Meinung nach verbringen die Menschen einen Großteil des Lebens mit der Wiederholung von Tätigkeiten. Diese These möchte er nicht negativ interpretiert sehen. Sie sei viel mehr das "Lob der Wiederholung" als bewusste Repetition von Tätigkeiten, die bereits als positiv erlebt wurden.

Gott als Kontingenzformel
Zur Gretchenfrage befragt "Nun sag', wie hast du's mit der Religion?" als Thema des Philosphicums, das am 20. September in Lech beginnt, meint Liessmann, dass die Loslösung des Menschen von religiösen Bindungen ein ganz entscheidender Entwicklungsschritt gewesen sei. Das dadurch entstandene Spannungsverhältnis zwischen der zunehmend technologisierten Gesellschaft und ihren spirituellen Wurzeln sei demnach von zentralem Interesse in der Philosophie.

Wie es die Philosophen selbst mit Gott halten, beantwortet Liessmann abschließend so: "Die Philosophen und ihr Gott oder ihre Götter, das ist ein eigenes Kapitel." Und er erklärt mit den Worten des deutschen Soziologen Niklas Luhmanns weiter: "Gott war eine Kontingenzformel. Sozusagen ein Platzhalter, ein Begriff für eine ganze Reihe noch nicht gelöster oder nie zu lösender Probleme."

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Philosophicum Lech