25. Todestag eines genialen Pianisten
Wer war Glenn Gould?
Autogramme von Alfred Brendel werden um 85 Dollar gehandelt, jene von Vladimir Horowitz um 100 Dollar. Ein Autogramm von Glenn Gould bekommt man nicht unter 2475 Dollar. Was macht den Pianisten auch noch 25 Jahre nach seinem Tod zu einer Legende?
8. April 2017, 21:58
Vielleicht hat ein Datum wie der 25. Todestag (am 4. Oktober; übrigens: sein 75. Geburtstag wäre am 25. September zu feiern gewesen) den Marktwert noch steigen lassen, aber gegen Ende des Vorjahres hat Eleonore Büning in der FAZ über Glenn Goulds marktwertsteigernden Nachruhm geschrieben: "Ein Autogramm von Alfred Brendel kostet 85 Dollar. Der Pianist Pierre-Laurent Aimard ist beim New Yorker Autographenhändler Roger Gross schon für 60 zu haben, Horowitz für 100, Schnabel für 250. Glenn Gould aber kriegt man zur Zeit nicht unter 2475 Dollar. Legenden haben Sonderpreise."
Wer war Glenn Gould? Natürlich ein außergewöhnlicher Pianist, mehr noch, ein beispielgebender Musiker, ein genialer Künstler. Man hat ihm sogar eine Schule zugeschrieben, was Bach betrifft.
Nicht nur Bach
Doch er hat nicht nur Bach gespielt, sondern über ein breites Repertoire verfügt, über ein sehr eigenwilliges allerdings, auch von Werken, die viele Pianisten gar nicht kennen. Er hat ebenso Sänger begleitet, wie Elisabeth Schwarzkopf, als auch mit Schauspielern gearbeitet, wie mit Claude Rains - mit Beiden seltenen Richard-Strauss-Werken zuliebe (Ophelia-Lieder und Enoch Arden), er hat Liszt-Paraphrasen ebenso gespielt (Beethovens "Fünfte" schon vor Catsaris), wie die Klaviersuite op.25 von Schönberg (bei den Salzburger Festspielen), aber er hat auch eine Lanze für Hindemith gebrochen (Drei Klaviersonaten auf CD).
Erstaunliche Repertoirebandbreite
Er hat niederländische Renaissancemeister für sein Instrument adaptiert (Sweelinck), auch altenglische Lautenmusik (Byrd), sämtliche Mozart-Sonaten gegen den Strich gebürstet und Wagner-Opern als Klavier-Literatur entdeckt (Meistersinger-Vorspiel). Er ist aber auch mit Dirigenten-Prominenz wie Stokowski oder Mitropoulos - am liebsten, aber auch am kontroversiellsten - mit Leonard Bernstein als Bach- (d-Moll-Konzert), Beethoven- (2. Klavierkonzert) oder Brahms-Interpret (2. Klavierkonzert) in Studio gegangen und im Konzertsaal aufgetreten.
Zumindest in den ersten Jahren seiner sensationellen Karriere. Später hat er sich - wie Vladimir Horowitz - vor der Öffentlichkeit zurückgezogen, allerdings ohne je wieder auf die Podien der Welt zurückzukehren. Mit fünfzig Jahren - vor einem Vierteljahrhundert - ist er gestorben, in seiner Geburtsstadt Toronto.
Literarisches Denkmal
Im Jahr nach Goulds Tod erschien der Roman "Der Untergeher" von Thomas Bernhard, der denkbar eigenwilligste Nachruf auf einen Pianisten.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Dieser Roman erhebt keinen Anspruch auf biographische Realität, weder was Gould, noch was Horowitz betrifft, wobei aber zu bemerken ist, dass das Verhältnis der beiden Klaviergiganten zueinander, den Autor beschäftigt haben dürfte.
Begründer eines neuen Bach-Bildes
War er nun der Liszt des 20. Jahrhunderts, oder nur der übermächtige Konkurrent von Bernhards Kunstfigur Wertheimer, der Anlass von dessen Selbstmord?
Oder war Gould eher nur der Begründer eines neuen Bach-Bildes, das - dem der Originalklang-Fetischisten ebenso entgegengesetzt war, wie den romantischen Orchesterbearbeitungen der Klangorgiastiker Elgar, Respighi oder Stokowski? Auf jeden Fall ist Glenn Gould posthum zum Mythos geworden, dessen Nachruhm eine Eigendynamik entwickelt hat, wie der der Callas.
Seine Karriere wird von zwei Aufnahmen von Bachs Goldbergvariationen flankiert, seiner ersten und seiner letzten Aktivität in einem Plattenstudio - in einem Abstand von fast drei Jahrzehnten.
Mehr zu Mythos Callas in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 24. September 2007, 10:05 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at