Spuren des Bürgerkriegs
Starke Frauen im Libanon
Der Libanon war immer relativ liberal. Arabische Schriftsteller, die in ihren Heimatländern nicht publizieren durften, fanden ziemlich sicher im Libanon einen Verlag. Und man war geneigt, Frauen zuzuhören bzw. ihre Romane zu lesen.
8. April 2017, 21:58
Sie scheinen eine gute Portion Glück gehabt zu haben, die Frauen im Libanon, die sich für ihre eigenen Rechte eingesetzt haben. Verständnisvolle Väter, verständnisvolle Ehemänner, Schulbildung, nicht eben nur ausreichend, sondern fundiert, journalistische Arbeit - und das mit einem Ehemann und vier Kindern im Gepäck.
Leben im Dorf
Emily Nasrallah ist eine von diesen starken Frauen, die sich ihr eigenes Leben ertrotzt oder erschmeichelt haben - wer will das schon so genau wissen. 1962 veröffentlichte sie ihren ersten Roman "Septembervögel", der ihr auf Anhieb drei wichtige arabische Auszeichnungen einbrachte und bis heute zu den herausragendsten Werken der libanesischen Literatur zählt.
Eine junge Frau namens Muna, vielleicht Emily Nasrallahs Alter ego, erzählt von ihrem Dorf. Von den Menschen, die ihr Leben begleitet haben und von ihren Schicksalen. Von Mariam, die von ihrem Liebsten erschossen wurde, weil er sie nicht heiraten durfte. Von Mirsal, die an ihrer Liebe zu Radschi zerbrach. Und davon, wie das Dorf diejenigen ausschließt, die es verlassen haben - und wie sehr sie selbst, die Ich-Erzählerin der "Septembervögel", darunter litt.
Bis heute hat Emily Nasrallah mehrere Romane, Kurzgeschichtensammlungen und Kinderbücher verfasst, unter anderem die Geschichte des Katers Ziku aus Beirut, der den Bürgerkrieg überlebt.
Alpträume in Worte gefasst
Der Bürgerkrieg hat in der Literatur sehr markante Spuren hinterlassen. Da wäre als wichtigstes Buch "Alptraum in Beirut" von Ghada Samman zu nennen. In 170 Alpträumen und einem Traum bannte Ghada Samman im Jahr 1976 das auf Papier, was unter dem Begriff "Hotelkrieg" in die Geschichte Eingang gefunden hat. In der Art eines Tagebuchs beschreibt sie das Bemühen einer Frau, zwischen Heckenschützen, Explosionen und der Angst um Freunde und Angehörige zu überleben.
Innerhalb von dreieinhalb Monaten brachte sie die Texte zu Papier, sie sind Alptraum für Alptraum in einer libanesischen Zeitschrift abgedruckt worden - bis die Verleger bei Alptraum 137 die Veröffentlichung einstellten. Die Begründung: die geschilderte Szene sei zu brutal.
Ghada Samman gab nicht auf: Sie gründete ihren eigenen Verlag, der 1977 sowohl "Alptraum in Beirut" als auch ihren ersten Roman "Mit dem Taxi nach Beirut" veröffentlichte, in dem sie am Beispiel von fünf Menschen, die sich zufällig in einem Sammeltaxi begegnen, die Unausweichlichkeit des Bürgerkriegs zeigt.
Ein bisschen Freiraum
Eine stille Revolution lässt uns Hanan Al-Shaykh miterleben, das Leben unzähliger Frauen, die in der islamischen Welt nach ein wenig Freiraum streben. In ihrem Roman "Im Bann der High-Tech-Harems" zeigt sie, wie vier ganz unterschiedliche Frauen mit den strengen Geboten der männlich und islamisch geprägten Welt zurecht kommen.
Da wäre die westlich erzogene Suha, die ihren Mann in den ungenannt bleibenden Erdölstaat begleitet, Beduinenprinzessinnen unterrichtet und ohne Chauffeur nicht aus dem Haus darf. Tamr, die darum kämpft, Lesen und Schreiben lernen zu dürfen. Suzanne, die Mühe hat, ihre Sucht zu bekämpfen und Nur, die ungewollt schwanger wird.
Für islamische Männer vielleicht aufwühlend beschrieben: Ich erinnere mich an einen Hörerbrief nach einer Sendung, die Texte aus diesem Buch brachte. Ein junger Mann versicherte mir mit eindringlichen Worten, dass es die Probleme, wie sie Hanan al-Shayk beschreiben würde, nicht gebe, dass sie im Gegenteil völlig undenkbar wären.
Liebe und Revolution
Einer der ersten Frauenromane Libanons wurde 1958 in London veröffentlicht. Laila Baalabakki, die immer wieder die "arabische Francoise Sagan" genannt wird, erzählt in "Ich lebe" ihre eigene Geschichte. Eine junge Frau, Tochter eines angesehenen Geschäftsmannes, erträgt die Unterwürfigkeit ihrer Mutter und das Leben, das ihr die Tradition vorschreibt, nicht mehr. Sie nimmt eine Stelle als Sekretärin an, um finanziell unabhängig zu werden. Als sie sich in Baha, einen Studenten verliebt, hofft sie auf die Freiheit durch die Liebe, aber Baha hat nur Revolution im Kopf.
Hör-Tipp
Terra incognita, Donnerstag, 23. Oktober 2008, 11:40 Uhr
Buch-Tipps
Emily Nasrallah, "Septembervögel", Lenos Verlag
Ghada Samman, "Mit dem Taxi nach Beirut", dtv
Ghada Samman, "Alptraum in Beirut", dtv
Hanan Al-Shaykh, "Im Banne der High-Tech-Harems", Rowohlt Verlag
Laila Baalabakki, "Ich lebe", Lenos Verlag
Iman Humaidan-Junis, "B wie Bleiben wie Beirut", Lenos Verlag
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Emily Nasrallah