Clemens Zeilinger spielt Beethoven

Oberösterreichs Musiker des Jahres

Das Ausscheren aus gewohnten Denkmustern ist für Clemens Zeilinger typisch. Der Pianist ist bekannt für das Aufbrechen von traditionellen Konzertsituationen. Demnächst wagt er sich an den die Besteigung eines musikalischen Achttausenders.

Nein, es handelt sich um keinen Druckfehler, wenn das Brucknerhaus für das Jahr 2008 einen Klavierzyklus mit allen 33 Beethoven-Sonaten ankündigt. Eher schon handelt es sich dabei um ein für den Interpreten typisches Ausscheren aus gewohnten Denkmustern. Der Interpret, der sich auf dieses Wagnis einlässt, heißt Clemens Zeilinger.

Expedition Beethoven
Am 12. Februar startet Zeilinger seine Expedition Beethoven; wobei sich der Vergleich mit der Besteigung eines Achttausenders ohne künstlichen Sauerstoff durchaus aufdrängt. Schließlich erholt sich auch Zeilinger gerne in den Bergen, wenngleich ihm in der Regel der Gipfel des Traunsteins genügt. Und zum Glück kann man sich bei Beethoven nicht lebensgefährlich verletzen, wenngleich auch bei einem derartigen Projekt Absturzgefahren lauern. Schließlich gibt es genug Künstler, die meinen, Beethoven für sich gepachtet zu haben.

Die lapidare Antwort Zeilingers, warum er sich auf alle 33 Beethovensonaten einlässt, entspricht ebenfalls dem Bergsteigerjargon: "Weil sie da sind." (In Anlehnung an die Antwort von George Mallory auf die Frage, warum er den Everest besteigen wolle: "Weil er da ist." - "Because it is there.")

Die nackten Fakten

Der 1972 in Wien geborene Pianist studierte in Linz und Wien bei Roland Keller, Peter Barcaba, Heinz Medjimorec und Anton Voigt. Ergänzend besuchte er Meisterkurse bei Leonhard Hokanson und Oleg Maisenberg. Der Preisträger mehrerer Wettbewerbe (Beethoven-Wettbewerb Wien, Europäischer Kammermusikwettbewerb Den Haag, mehrfache Bösendorfer-Stipendien) konzertierte in ganz Europa, den USA, in Japan, Korea, Marokko und im Iran.

Als Solist konnte er mit vielen renommierten Orchestern zusammenarbeiten. Einen großen Teil seiner künstlerischen Tätigkeit widmet er der Kammermusik (unter anderem als Mitglied des "Delon"-Klavier Quartetts) und der Liedbegleitung. Zuletzt standen zyklische Kammermusikprojekte - Schostakowitschs gesamte Klavierkammermusik - sowie die Aufführung des gesamten Liedschaffens Anton von Weberns in Wien und New York im Mittelpunkt.

Aufbrechen der Konzertsituation

Bekannt wurde Zeilinger für das Aufbrechen von traditionellen Konzertsituationen: So sucht er näheren Kontakt zum Publikum durch eine persönliche Einführung mit Tonbeispielen, literarischen Ergänzungen oder gibt Einblicke in Interpretationsfragen am Beginn des Konzertes. "Das gelangweilte Blättern im Programmheft soll obsolet werden, der Interpret näher rücken und das Publikum einlassen in die eigene Gedankenwelt", betont der Musiker.

Clemens Zeilinger unterrichtet an der Universität für Musik in Wien und an der Anton-Bruckner-Privatuniversität Linz, ist verheiratet, hat zwei kleine Kinder, sein Lebensmittelpunkt schwankt zwischen Linz und Wien.

Der Mensch dahinter

Er hat sich schon als Fünfjähriger in seinem Zimmer eingeschlossen. Aber nicht aus Protest gegen Erziehungsmaßnahmen seiner Eltern. Nein, er wollte nur nicht dabei beobachtet werden, wie er wild sein imaginäres Orchester vom Tonband dirigierte. Noch zählte das Vorbild des dirigierenden Vaters und der schon Klavierspielenden älteren Schwester.

Mit Sechs folgte dann der erste Klavierunterricht gleich am Brucknerkonservatorium. Der Entschluss, sich endgültig auf eine Pianistenlaufbahn einzulassen, kam im Grunde genommen erst spät. Obwohl er - jetzt rückblickend - für sich doch keine realistische Alternative zum Musikerdasein sah.

Früher Berufswunsch

"Vielleicht hätte ich gerne einen wunderschönen kleinen Buchladen gehabt, mit interessanter Kundschaft - und Leuten, denen ich schöne Bücher aufquatschen könnte. Das ist das einzige andere Berufsbild, das mir hin und wieder eingefallen ist", erinnert er sich.

Erfolge bei Klavierwettbewerben bestärkten den jungen Pianisten, seinen Weg zu gehen. Allzulange hat er sich aber nicht damit aufgehalten, von Wettbewerb zu Wettbewerb zu tingeln. "Ich haben mir jene herausgepickt, die mir vom Programm her gelegen sind. Es hat immer Spaß gemacht, weil ich nette Leute kennen gelernt habe", so Zeilinger. Dass der Beethoven-Wettbewerb dazugehörte, könnte jetzt als Beweis dienen, dass Beethoven Zeilinger seit langem in Kopf und Fingern steckt.

Liebe zu Beethoven begann mit Verwechslung

"Die Beethoven-Nummer ging mit einer Nummern-Verwechslung los", scherzt der Pianist." Als ich zehn Jahre alt war, habe ich von meinem Professor über die Sommerferien op. 49, Nr. 2, aufbekommen. Alles was ich mir gemerkt hatte, war die Nummer 2. Ich habe also die falsche Sonate geübt. Op. 2, Nr. 2. Dieses Werk war viel zu schwer für mich. Ich bin dann im Herbst relativ verzweifelt in die erste Klavierstunde gekommen, habe bei dem Stück aber wahnsinnig viel gelernt. Und ich hatte vorher noch nie so viel an einem Werk geübt. Dann hat mich Beethoven, wie jeden Pianisten, weiter begleitet - und ich habe es heiß geliebt."

Studieneinstieg in Wien
Dann kam für Zeilinger der Studieneinstieg in Wien, wo es wieder mit Beethoven begann: "Mein neuer Lehrer hat mich mit op. 101 'gequält'. Bis ins letzte Detail. Und irgendwann, wenn man einmal 20 Beethoven-Sonaten studiert und in Konzerten gespielt hat, denkt man sich: Warum nicht alle spielen."

Zeilinger ist bekannt dafür, dass er seine Konzerte moderiert. Nicht immer, aber doch immer wieder: "Zunächst wurde ich wiederholt darum gebeten. Dann habe ich erfahren, dass sich das Publikum 'eingeweiht' und 'eingeladen' fühlt. Man lädt ja die Leute mittels Werbung ein. Dann zahlen sie ihre Karten, gehen in den Konzertsaal hinein. Dort kommt dann ein Autist heraus uns spielt komplizierte Werke auf dem Klavier vor. Dann ist das Event wieder vorbei. Natürlich kommt es zur Interaktion, das Publikum kann mitfühlen, aber ich habe doch erfahren, dass eine Moderation bis zu einer gewissen Größe vom Rahmen, durchaus noch mehr Intimität zwischen Künstler und Publikum schaffen kann. Und es schadet auch nicht, das Publikum zwischendurch zum Lachen zu bringen."

Schlagfertiger Grenzgänger

Oder auch die Schamesröte ins Gesicht zu treiben, wenn er abrupt seinen Vortrag unterbricht, um ein Handy zu begleiten. Schlagfertigkeit gehört unzweifelhaft zu den hervorragenden Eigenschaften Clemens Zeilingers.

Und was hat es nun mit der Zahl 33 auf sich? Nun: Zeilinger überschreitet die magische Zahl 32, indem er noch eine der Bonner Sonaten in den Zyklus mithineinnimmt, und damit darauf hinweist, dass Beethoven nicht erst in Wien zu komponieren begonnen hat.

Mehr dazu in oe1.ORF.at
Die Wiener Musiker des Jahres
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Der Salzburger Musiker des Jahres
Neun Mal Klang

Hör-Tipp
40 Jahre Ö1: Neun Mal Klang, Mittwoch, 24. Oktober 2007, 15:45 Uhr

Veranstaltungs-Tipp
Clemens Zeilinger spielt alle 33 Beethoven Sonaten an acht Dienstagen: 22. Jänner, 12. Februar, 26. Februar, 11. März, 8. April, 22. April, 6. Juni, 20. Juni 2008, Brucknerhaus Linz

Links
Brucknerhaus Linz
Anton Bruckner Privatuniversität