Die Geschichte einer Bewusstwerdung

Ein Jahr ohne "Made in China"

Als die Familie Bongiorni den Entschluss fasst, ein Jahr keine Produkte aus China zu kaufen, ist den Beteiligten noch nicht bewusst, wie schwer es sein würde, Produkte zu finden, die nicht in der Volksrepublik gefertigt werden.

Als die Familie Bongiorni am 1. Jänner 2005 den Entschluss fasst, ein Jahr keine Produkte "Made in China" zu kaufen, ist den Beteiligten noch nicht bewusst, worauf sie sich eigentlich einlassen. Denn, eigentlich sollte es doch nicht so schwer sein, Produkte zu finden, die nicht in der Volksrepublik gefertigt werden.

Hochgradige Wirtschaftsverflechtung
Möchte man meinen. Doch China ist nicht nur der weltweit größte Produzent von Fernsehgeräten, Computerspielen, Handys, Schuhen, Bekleidung, Beleuchtungskörpern und Sportausrüstung; in einigen Sektoren der Wirtschaft hat das Land in den USA schon ein quasi Monopol. Aus China kommen 95 Prozent aller in die Vereinigten Staaten importierten Feiertagsdekorationen und fast 100 Prozent aller dort verkauften Puppen und Kuscheltiere.

Einkaufen ist kein Spaß
Was der Familie Bongiorni als erstes bewusst wird: Shopping ist nicht länger ein Spaß, sondern wird solchermaßen zum Spießrutenlauf. Zum Beispiel, wenn es gilt, Schuhe für Sohn Wes zu finden. Es mag ein schwacher Trost sein, aber es gibt Schuhe, die nicht in China gefertigt werden, nur kosten sie eben deutlich mehr. Wesentlich schwieriger noch als das Finden von Bekleidung gestaltet sich die Suche nach Zubehör. Eine Farbpatrone für den Drucker, die nicht aus China stammt? Unmöglich. Auch Nägel und Schrauben importieren die USA fast ausnahmslos aus der Volksrepublik.

Dass der Boykott chinesischer Waren nicht zu hundert Prozent aufrechtzuerhalten ist, merkt die Familie recht schnell. Obwohl sie zu Beginn schon einige Kompromisse eingegangen ist. Waren, die sich bereits im Haus befanden, wurden nicht ausgemistet und auch Geschenke, "Made in China", nicht retourniert. Trotzdem passieren Fehler. Pinsel, die aus Unachtsamkeit gekauft werden, Produkte, die zwar in den USA gefertigt wurden, aber Bauteile beinhalten, die in China hergestellt wurden.

Am schwierigsten ist das Unterfangen, wenn es gilt, Geschenke zu kaufen - vor allem Geschenke für Kinder. Es dauert lange, welche zu finden, es kostet viel Geld und die ohnehin stressige Vorweihnachtszeit wird so noch ein wenig hektischer.

Boykott nicht durchzuhalten
Sara Bongiornis Resümee nach einem Jahr ohne chinesische Waren fällt differenziert aus. Chinesischen Produkten für immer und ewig abzuschwören ist unmöglich, würde es doch bedeuten, in Zukunft wahrscheinlich ohne neue Handys, Wasserpistolen und Fernseher auskommen zu müssen. Andererseits wurde die Familie durch die Auseinandersetzung mit den Herkunftsbezeichnungen der Waren zu kritischeren Konsumenten. Finanziell hatte der Boykott keine Auswirkungen. Zwar wurde für Weihnachtsgeschenke und Sonnenbrillen mehr Geld ausgegeben, dafür aber bei Schuhen und Spontankäufen gespart.

Für den Leser ist "Ein Jahr ohne Made in China" ebenfalls ein zwiespältiges Vergnügen. Die Frage, wie sehr der Westen von chinesischen Produkten abhängig ist, ist zweifelsohne eine spannende und sie wird in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen. Nur gibt der Bericht über einen persönlichen Boykott ganz einfach zu wenig Material her, um darüber ein Buch zu schreiben.

Entbehrliche Lektüre
Die Essenz des Textes lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Es ist in den USA nicht mehr möglich, ohne chinesische Produkte zu leben. Ein schöner, großer Feuilleton-Artikel hätte das werden können, mehr aber nicht. Dazu kommt der Stil von Sara Bongiorni. Dass sie eine "erfahrene Journalistin" ist, wie es im Klappentext heißt, merkt man dem Text nicht an. Der liest sich eher wie das Tagebuch einer Hausfrau, die ganz stolz ist, jetzt endlich einmal etwas zu schreiben. Viel wird da über Mann, Kinder, Freunde und Verwandte berichtet und Banalitäten breiter Raum gegeben. All das hat mit dem Thema "Wie vermeide ich Waren aus China" nichts zu tun, sondern dient nur dazu, einen mageren Inhalt auf mehr als 250 Seiten zu strecken.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:15 Uhr

Buch-Tipp
Sara Bongiorni, "Ein Jahr ohne 'Made in China'", aus dem Amerikanischen von Marlies Ferber, Wiley Verlag