Gewitzte Vertreter des deutschsprachigen Chansons
"Volumen 6" von Pigor & Eichhorn
Die gewitztesten Vertreter des deutschsprachigen Chansons präsentieren ihr neuestes Programm. Espritgeladen und temporeich rappen und swingen sie sich durch die Gegenwart. Geheimnisvolle Wortkaskaden, in der Tonalität virtuos und treffsicher.
8. April 2017, 21:58
Alles völliger Quatsch
Sie überprüfen ihr Publikum regelmäßig auf seine "Karnevalisierbarkeit" und brachten einen Stil in die österreichische Kleinkunstlandschaft, der mit so saloppen Begriffen wie "Salon Hip Hop" oder urbanes Musikkabarett umschrieben wird: Thomas Pigor und Benedikt Eichhorn. Als Pigor & Eichhorn gehören sie jener neuen Chansonszene an, die sich in den 1990er Jahre in Berlin Mitte entwickelte.
"Kennen gelernt haben wir uns im Sommer 1992 in Berlin und begannen, Songs miteinander zu machen - Pigor die Texte, ich die Musik", erzählt Eichhorn. "Das haben wir schließlich in kleinen Klubs ausprobiert. Unsere Arbeitsform ist jetzt so: Pigor gibt einen Text vor und wir machen dann gemeinsam die Musik am Klavier. Die Gruppe heißt daher auch sinngemäß 'Pigor singt. Benedikt Eichhorn muss begleiten'. Letzterer bin ich und ich mache das gerne, weil ich erfolgreich damit bin."
Der Meister und sein Sklave
Unter dem Motto "Wir wissen selber nicht, was heut Abend passiert” bringen Pigor und Eichhorn - musikalisch und mental unterstützt von Ulf - in ihren Songs intelligente Bösartigkeiten ebenso unter wie existenzielle Wehleidigkeiten und Exzentrisches aus dem urbanen Raum unter.
"Wir hatten von Beginn an so ein Master-Slave-Verhältnis", gesteht Eichhorn ein. "Das ist in der Bühnenperformance von Duos nichts Neues und wir hatten von Anfang an das Spiel, dass ich den Pianisten quäle und er darf schon reden, aber nicht viel. Beim ersten Programm war er noch sehr unterdrückt, im zweiten durfte er dann probieren, Conferencen zu machen. Da schrieb er sich alles auf Kärtchen auf und das ging natürlich schief. Nun ist es so, dass ich auf der Bühne sage, wir seien ein gleichberechtigtes Duo. Er missversteht das natürlich und quatscht mir die ganze Zeit rein und das geht so weit, dass die Sympathien, die er als Unterdrückter zuerst hatte, in Frage gestellt werden."
Pigor singt, Eichhorn muss begleiten
"Volumen 6" ist vielleicht das achte Programm, das Pigor & Eichhorn gemeinsam auf der Kleinkunstbühne zeigen. Da sie ihre Hervorbringungen auch in französischer Sprache darbieten, ist das Zählen ihrer Programme nicht ganz einfach. In ihrer Themenwahl hielten sich die beiden Chansonvirtuosen an ihr altbewährtes Motto "in jeder Hinsicht aktuell, nüchtern, bissig, und unverschämt zu sein, so dass weder die Liebhaberinnen des Kabaretts noch die des Chansons daran vorbeigehen können, ohne schwach zu werden"
Der Dritte im Duo
Pigor und Eichhorn präsentieren ihre Songs in einem temporeich inszenierten Hick-Hack. Der Kleinkrieg zwischen den Bühnenfiguren über vermeintlich künstlerische Dissonanzen dient zur Freude des Publikums. In diese gewohnte Choreographie wird immer wieder auch ihr dritter Mann mit einbezogen, sozusagen der Dritte im Duo: "der Ulf". Ulf praktiziert als DJ die Perfektion - mit eleganten Beats, Klangeffekten und Live-Einspielungen.
Das Ziel von Pigor & Eichhorn samt Ulf ist hochwertige Nonsens-Musik mit sinnstiftendem Anspruch, "himmelblau aber nicht blind", paradox aber grandios. Strukturen werden penibel analysiert, um sie anschließend mit scharfer Bosheit zu enthaupten. Und Ulf leistet auf seinem Laptop einen wesentlichen Beitrag dazu.
Elfriede... Ott oder Jelinek?
Sprache, Rhythmus und Musik gehen bei Pigor & Eichhorn die erstaunlichsten Fusionen ein. Komplexer Inhalt oder scheinbare Banalität – für jeden Inhalt hat man eine formale Bosheit auf Lager. Ob das Publikum für den subtilen Humor ihrer Programme auch tauglich ist, das testen Thomas Pigor und Benedikt Eichhorn im Laufe Ihrer Chansonabende immer wieder aus. "Namensreflexverfahren" ist das Zauberwort und schon legt so mancher Kabarettbesucher unversehens seinen kulturellen Hintergrund offen.
Auf der Bühne tarnt Thomas Pigor das Ganze als Spiel. Er ruft einen beliebigen Namen in die Menge und die Zuschauer sind aufgefordert, ohne nachzudenken ihre Assoziation dazu lautstark kund zu tun. Bei "Elfriede" zeigte sich das österreichische Publikum unentschieden zwischen "Ott" und "Jelinek".
Klischees bedienen und widerlegen
Pigor & Eichhorn haben gemeinsam so etwas, wie ein neues deutsches Großstadtchanson kreiert. Die thematische Mischung für ihre Abende ist speziell: Es geht um Wurstverkäuferinnen, das Lärmschutzgesetz und französische Frauen ebenso wie um Zigaretten, Rolltreppengeländer oder um das Fliegen.
Auf der Bühne geben sich Thomas Pigor und Benedikt Eichhorn gelegentlich unkorrekt, es wird überzeichnet, gestritten, Klischees werden scheinbar bedient und gleich darauf listig widerlegt. Und die rhythmisch durchaus gefällige Liedform ist oft Täuschungsmanöver. Zu wohlklingender Musik kann über so manch komplexes Thema gesungen werden.