Den Teufel im Leib

Das Schloss im Wald

Für Norman Mailer waren Hitler und der Nationalsozialismus ein Werk des Teufels. In seinem letzten Roman wird Hitler einfach nur vom Teufel verführt. Klaus Kastberger empfindet dies in seiner Rezension als reine Provokation.

"Das Schloss im Wald", der letzte Roman von Norman Mailer, ist ein doch recht seltsames Buch - zumindest für europäische Verhältnisse. In den USA war der Roman ja nicht eben schlecht aufgenommen worden. Was Wunder auch: Mit seinen 84 Jahren gehörte Mailer zu den großen alten Männern der amerikanischen Literatur. Auch, dass er als ehemaliger Atheist und Marxist zuletzt zu einem dualistischen Glauben gefunden hatte, ist in den Staaten nichts Besonderes: Das Gute präsentiert sich dort auch ansonsten gerne vom Bösen geschieden, zwischen Himmel und Hölle tobt so ein ewiger Kampf.

Der größte Bösewicht aller Zeiten

Als Austragungsort dieses Kampfes wählte Mailer sich in seinem Buch eine extreme Seele, nämlich den größten Bösewicht aller Zeiten, den leibhaftigen Adolf Hitler selbst. Der Autor erzählt davon, wie das schwächliche Kind, das der kleine Adi war, vom Teufel verführt wird - eine Faust-Geschichte also mit todsicherem Ausgang.

Dass das komplexe Phänomen des Nationalsozialismus solcherart auf wenige Details einer einzelnen Biografie hingebogen wird, störte Mailer nicht, denn für ihn war klar: Da hatte der Teufel seine Hand im Spiel. In dem Roman wird der, dessen Bild man besser nicht an die Wand malt, passenderweise mit den Initialen D. T. (eben für "Der Teufel") angesprochen, und Gott erscheint - wenig erbaulich - als D. D. (für "Der Dummkopf"). Tatsächlich hat der Teufel bei Mailer mit dem jungen Hitler ein leichtes Spiel, wenngleich die Verführung hier nicht als das Resultat eines einmaligen Paktes erscheint, sondern als ein Ergebnis vieler kleiner Einflussnahmen.

Die Wurzel allen Übels

So ist der Teufel in diesem Buch immer und überall. Ständig umschwänzeln er und seine Inkarnationen den kleinen Adi. Gleich in der Eingangsszene präsentiert der Böse sich als ein SS-Mann namens Dieter. Von ihm wird gesagt, dass er in den 1930er Jahren in einem streng geheimen Projekt zur Erforschung von Hitlers Familiengeschichte beschäftigt war. Genau hier, in der Kindheit des "Führers", liegt, wie man später auf Hunderten von Seiten erfährt, die Einflugschneise des Bösen, und genau hier lag wohl auch für Norman Mailer die Wurzel allen Übels. Dicker, als es Hitlers Biografie eigentlich erlaubte, trug er in seinem Buch auf - beispielsweise dann, wenn er den kleinen Adolf in einem direkten Inzest gezeugt sah.

Eine besondere Freude bereitete es dem Autor offensichtlich, den Teufel bei allen möglichen (und unmöglichen) Geschlechtsakten in Hitlers Familie dabei sein zu lassen. Nicht als ein Beelzebub mit Krummfuß erscheint der Höllenfürst in solchen Situationen, sondern als ein Voyeur, der sanft nicht nur in andere Körper, sondern auch in alle denkbaren Körperöffnungen schleicht. Am jungen Hitler entwickelt der geile Teufel eine hochprofessionelle Lust: Nicht in Pech und Schwefel ist er getränkt, sondern in die Wässerchen moderner Managementtechniken. Hitler selbst wird in dem Roman folgerichtig als ein "Mandant" des Teufels bezeichnet, und die Hölle erscheint wie ein weltumspannender Großkonzern.

Misslungener Heidenspaß

Dennoch oder gerade deshalb bleiben Widersprüche. Einer der unabweisbaren lautet: Warum soll Hitler später der Errichtung von Gaskammern zugestimmt haben, bloß weil ihm als Kind eingeprägt wurde, dass man ein krankes Bienenvolk stets als Ganzes ausräuchern muss? Ähnlich wie mit dieser (im Übrigen: endlos platt gewälzten) Geschichte erging es mir mit fast allen Details in Mailers Buch, denn nichts von dem, was man hier über Hitlers oberösterreichische Kindheit erfährt, erklärt das Unheil, das er später über die Welt brachte.

Noch schlimmer und weitschweifiger sind die zahlreichen Nebenstränge des Romans, die den Leser, als wäre dem jungen Hitler plötzlich eine Art James Bond entschlüpft, einmal gar bis weit nach Sankt Petersburg führen.

Vielleicht ist das aber auch alles ungerecht, und es verhält sich mit dem "Schloss im Wald" genau so einfach, wie Norman Mailer in einem Interview sagte. Demzufolge vermöchten mit diesem Buch nur diejenigen etwas anzufangen, die selbst an den Teufel glaubten. Ihnen blüht hier möglicherweise ein Heidenspaß, alle anderen aber sollten besser die Finger von dieser misslungenen und faden Provokation lassen!

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Hör-Tipp
Ex libris, Sonntag, 11. November 2007, 18:15 Uhr

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Buch-Tipp
Norman Mailer, "Das Schloss im Wald", aus dem Amerikanischen übersetzt von Alfred Starkmann, Verlag LangenMüller