Die Diva der Extreme

Cecilia Bartoli und Maria Malibran

Sie ist wieder da - explosiv, Musik in jeder Faser, ein Star der Opernbühne, der das Publikum in bedingungslose Anhänger und grimmige Gegner teilt: Cecilia Bartoli. Und zwar mit Stücken, die vor 170, 180 Jahren Maria Malibran gesungen hat.

Bartoli singt Malibran

Maria Malibran, war die Operndiva einer Epoche: 1808 bis 1836, gnadenlos jung gestorben, und in der Legende umso hemmungsloser verklärt. Und Cecilia Bartoli hat, nach ihren Solo-CDs mit Vivaldi- und Salieri-Raritäten, wieder einmal die Operngeschichte hinter dieser Legende ans Licht gezogen, diesmal gemeinsam mit dem Originalklang-Orchester des Opernhauses Zürich, dem Orchester "La Scintilla" unter Adam Fischer.

Hätte es sie nicht gegeben, man könnte meinen, sie wäre eine romantische Erfindung gewesen, diese Maria Malibran, geborene Maria Felicita Garcia, der Dichter und Komponisten gleichermaßen verfielen, und das Opernpublikum in ganz Europa sowieso. Sie war emanzipiert vor der Zeit, trug Männerkleider, lebte die freie Liebe, die exzessive Leidenschaftlichkeit auf der Bühne und im Leben - mit den obligaten nachfolgenden Zusammenbrüchen -, machte Schlagzeilen, und ihre Stimme wird als ein Wunder beschrieben. Vorsicht mit Superlativen, aber: Wenn man alle Zeitzeugen-Aussagen übereinanderlegt, muss sie die größte Sängerin ihrer Ära gewesen sein.

Von Desdemona zu Otello

Maria Malibran kam schon aus einer Sängerdynastie. Manuel Garcia, der unter anderem Rossinis erster Almaviva war und ein europaweit verehrter Gesangslehrer, vermittelte ihr den ganzen technischen Fundus des "Belcanto": die Stimme ein Instrument werden zu lassen, Ton für Ton, Atemzug für Atemzug, ohne Registerbrüche. Und man arbeitete gemeinsam daran, Marias Mezzosopran in die Extrembereiche "auszubauen", so lange, bis ihr Tonumfang drei Oktaven betrug.

In Rossinis "Semiramide" war sie danach Semiramide genauso wie Arsace - für uns heute ist das eine ein Fall für hohe Sopranistinnen, das andere einer für Kontra-Altistinnen! -, in Rossinis "Otello" außer der ätherischen Desdemona fallweise auch Otello selbst, in Hosen, statt des üblicherweise zu erwartenden Tenors.

Überwältigende musikalische Begabung

An einem Tag "Sonnambula", am anderen "Fidelio"-Leonore. "Ach, das wunderbare Geschöpf!" seufzte Gioachino Rossini später. "Sie übertraf alle ihre Konkurrentinnen durch ihre wirklich überwältigende musikalische Begabung und alle Frauen, die mir begegnet sind, durch ihre geistige Überlegenheit, ihr breitgefächertes Wissen und ein rasantes Temperament, von dem man sich nicht die geringste Vorstellung machen kann."

Maria Malibran, die Vokalartistin
Maria Malibran stand von Kind auf auf der Bühne, auch in New York, in Manuel Garcias Operntruppe. Sie wirkte bei inszenierten Sing-Wettkämpfen mit, in denen die Stars der neuen Ära gegen die letzten Opern-Kastraten antraten: Mit ihr kam die neue Zeit des Operngesangs. Die Stimme mit dem verführerischen dunklen Timbre war kraftvoll genug, die größten Häuser wie das Teatro San Carlo oder die Mailänder Scala zu füllen, und trotzdem die von ihr erwarteten Melodie-Verzierungen mit Leichtigkeit hervorzubringen: atemberaubende Sprünge, Arpeggien, Triller...

Das weiß man aus Berichten, das sieht man an der Musik der Opern, die die Maestri der Zeit wie Vincenzo Bellini, Giuseppe Persiani, Lauro Rossi, Giovanni Pacini oder Jacques Halévy für Maria Malibran komponiert haben und die Cecilia Bartoli auf ihrer "Maria"-CD jetzt wieder zum Klingen gebracht hat. Auf ihre spezielle Art, zwischen Hyperaktivität und seligem Verhauchen, die bewundert und gehasst wird.

Cecilia Bartolis Malibran-Kollektion
Cecilia Bartoli und Maria Malibran, das ist eine Liebesgeschichte über zwei Jahrhunderte hinweg, die jetzt schon Jahre andauert. Nicht nur Maria Malibrans Rollen, ihre Musik (sie hat auch selbst komponiert), ihre Lebensgeschichte faszinieren Cecilia Bartoli: Sie ist auch eine Sammlerin von Malibran-Andenken.

Briefe, Devotionalien, Noten, Kostüme, Kleider - das alles geht in einer Art rollendem Museum mit Cecilia Bartoli auf Reisen, wenn sie dieser Tage mit dem "Maria"-Programm auf Tournee ist und den Traum der Malibran-Reinkarnation träumt.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 15. November 2007, 15:06 Uhr

CD-Tipp
Cecilia Bartoli, "Maria", Decca

Links
Cecilia Bartoli
Museo Mobile - Maria Malibran