Die Österreich-Bibliothek in Sofia
Dem Wort verpflichtet
Die Österreich-Bibliothek an der St.-Kliment-Ochridski-Universität in Sofia entstand im Jahre 1991. Sie verfügt über 13.000 Bände, die die Literatur und die Kultur Österreichs repräsentieren. Leiterin der Bibliothek ist Dr. Emilia Staitscheva.
8. April 2017, 21:58
Gründung der Bibliothek ging von Wolfgang Kraus aus
Dr. Emilia Staitscheva, Leiterin der Österreich-Bibliothek an der Universität Sofia, liest ein Gedicht des österreichischen Lyrikers Hans Raimund. Zahlreiche Bände österreichischer Autorinnen und Autoren stehen im Regal der umfangreichen Bibliothek, viele Texte wurden in den letzten Jahren übersetzt. "Der lange geduldige Blick" heißt der Lyrikband von Hans Raimund, den Emilia Staitscheva in der bulgarischen Ausgabe in der Hand hält.
Initiator Wolfgang Kraus
Der österreichische Schriftsteller und Verleger Wolfgang Kraus hinterließ seine gesamte private Bibliothek der Österreich-Bibliothek in Sofia. Etwa 2.000 Bücher umfasst diese Privatsammlung, viele signierte Bücher bekannter Autoren sind darunter.
Der 1998 verstorbene Wolfgang Kraus - in Österreich auch durch seine Fernsehsendungen "Die Welt des Buches" und die Diskussionsrunde "Jour fixe" bekannt - war es, der auch den Anstoß zur Gründung der Österreich-Bibliothek in Sofia gegeben hat. Heute trägt sie seinen Namen.
Intensive Beschäftigung mit Sprache
Emilia Staitscheva unterrichtet an der Universität Sofia "Geschichte der deutschen Literatur" mit Schwerpunkt auf die literarischen Beziehungen zwischen Österreich und Bulgarien, die sich - kontinuierlich - ab dem Anfang des 19. Jahrhunderts dokumentieren lassen. Die Beziehungen zu Österreich, besonders zu Wien, waren früh wichtig, das Lernen der deutschen Sprache erschien vielen bulgarischen Intellektuellen unumgänglich.
"Ich habe mich schon früh dem Wort verpflichtet gefühlt", sagt sie, die intensive Beschäftigung mit der bulgarischen, mit der russischen, später auch mit der deutschen und österreichischen Literatur wurde zur lebenslangen Herausforderung. Besonders die Lyrik hat Emilia Staitscheva schon früh fasziniert.
Enge Beziehungen
Die Spuren vieler namhafter Autoren der Weltliteratur führen nach Bulgarien. Besonders die vielfältigen, lang zurückliegenden Beziehungen zwischen der bulgarischen und der österreichischen Literatur wurden im Lauf der Jahre zu einem Schwerpunkt der Forschungsarbeit von Emilia Staitscheva.
Die Spuren der k.k.-Monarchie sind bis heute in Sofia unübersehbar. Eine Stadtbesichtigung im Zentrum führt vorbei an zahlreichen prachtvollen Bauwerken, die von österreichischen Architekten entworfen und ausgeführt wurden. Und auch die Konzertsäle und Theaterbühnen wurden oft von österreichischen Künstlern geprägt.
Zahlreiche Veranstaltungen
Während man bei uns relativ wenig weiß über die bulgarische Literatur des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart, war das Interesse für österreichische Literatur in Bulgarien stets groß. Schriftsteller wie Rilke, Hofmannsthal, Zweig, Roth, Werfel wurden früh übersetzt, auch Bachmann, Jandl und viele andere wurden ins Bulgarische übertragen.
In der Österreich-Bibliothek in Sofia haben österreichische Autoren wie Gerhard Rühm und Christoph Ransmayr gelesen; es wurden Texte bulgarischer Autoren über Österreich präsentiert; namhafte Wissenschafter haben Vorträge gehalten. Es gab literarische Abende in Erinnerung an große Autoren wie Grillparzer und Hofmannsthal; Symposien zum Werk von Elias Canetti, von Franz Kafka, von Joseph Roth haben stattgefunden. Ausstellungen über Wien, über die österreichischen Einflüsse auf die bulgarische Architektur wurden gezeigt. Zahlreiche Konzerte wurden im Lauf der Jahre veranstaltet. Die Österreich-Bibliothek in Sofia wurde zu einem Ort, an dem österreichische Kultur und österreichisches Wissen vermittelt wird.
Dem Klang der Sprache lauschen
In den letzten Jahren ist ein neuer Aufgabenbereich für die Bibliothek hinzugekommen: die Vorbereitung von Deutsch- und Landeskundekursen, wobei auch die Problematik des Deutsch-Unterrichts und des Fremdsprachenunterrichts an Schulen in Projektarbeiten erforscht wird.
"Manchmal ist es einfach schön, nur dem Klang einer Sprache nachzulauschen", sagt Emilia Staitscheva und liest noch einige Gedichtzeilen vor. Auf Bulgarisch. Ohne Übersetzung. Allein der Klang erzählt eine eigene Geschichte. Und doch wird einmal mehr spürbar: Was wäre die Literatur ohne die Vermittler, ohne die Übersetzer, die einem helfen beim Über-Setzen, von einem Ufer zum anderen?
"Der unendliche Weg zum Haus des Nachbarn" hat die Übersetzerin Swetlana Geier ihre Tätigkeit einmal genannt. Kultur- und Literaturvermittler wie Emilia Staitscheva wissen um diesen langen, schwierigen - und schönen Weg, und setzen ihn unbeirrt fort.
Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 18. November 2007, 14:05 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Link
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