Erstaunliches über Rumänien

Rumänien nach der Revolution

In dem informativen Band erzählen sachkundige Texte mitunter Erstaunliches zur wechselvollen Geschichte, vielfältigen Kultur und pittoresken Landschaft Rumäniens. Am stärksten ist das Buch dort, wo das Informative dem Impressionistischen Platz macht.

Erzähl mir von Rumänien, dem Land der Vampire, der Straßenräuber, der Pferdekutschen, vom tiefen Romanistan. Erzähl mir von Siebenbürgen, dem Land hinter den Wäldern, von den Kirchenburgen der Sachsen, von den Landlern, und vom Széklerland. Erzähl mir von der Walachei mit ihren Ochsenwagen, vom Land der Überschwemmungen und dem Delta des Donaustroms. Erzähl mir von der Moldau mit ihren Klöstern und Popen und von Iasi, dem Hort des Geistes. Erzähl mir von Bukarest.

Drei Jahre lang hat Michaela Hirsch in Rumänien gelebt, und wozu sie sich in ihrem lyrischen Essay fiktiv auffordern lässt, das tun denn auch die übrigen gut zwei Dutzend Beiträge des Buches: von Rumänien erzählen. Das gelingt mal weniger, mal mehr. Es ist eben eine schwierige Sache mit dem Erzählen; erst recht, wenn es sich um ein Land handelt, das sich von der pannonischen Tiefebene bis ans Schwarze Meer erstreckt, zumal dieses Land wie kaum ein anderes in Europa mit Klischees und Vorurteilen behaftet ist.

Fachkundige Expertenbeiträge

Am stärksten ist das Buch dort, wo man es vielleicht am wenigsten vermuten würde: im Mittelteil, in dem das Informative wohltuend dem Impressionistischen des ersten Teils Platz macht. Da erzählen viele sachkundige Texte mitunter Erstaunliches zur wechselvollen Geschichte, vielfältigen Kultur und pittoresken Landschaft Rumäniens. Dort erfährt man etwa, dass Rumänien das einzige Land mit romanischer Sprache und orthodoxer Mehrheitsreligion ist.

Auch der landeskundlich Fortgeschrittene kann sich anhand einer Reihe fachkundiger Expertenbeiträge vertiefende Einblicke in das Rumänien von gestern und heute verschaffen. "Rumänien nach der Revolution" ist ein Lesebuch und wie die meisten Lesebücher enthält es einige schlechte Texte. Das ist der Nachteil. Der Vorteil ist, dass man nicht alle Texte lesen muss. Und wer sich Zeit und Mühe nimmt, zwischen ambitionierten Fingerübungen unbekannter Autoren und Testimonials wie dem ukrainischen Lieblingsintellektuellen des heimischen Feuilletons, Juri Andruchowytsch, zu stöbern, der wird nach seinem Geschmack fündig werden.

Radikale Veränderungen

Es gehört seit geraumer Zeit zum guten Ton von Sachbüchern, dass ihre Macher Auskunft über das Initial für die Entstehung des Buches geben. Das kann man mögen oder nicht. Im Fall von "Rumänien nach der Revolution" erfahren wir von der Herausgeberin Kristina Werndl, dass sie mit Erschrecken feststellen musste, die Haustiere von George W. Bush auf Anhieb beim Namen nennen zu können, ihr der Name des rumänischen Präsidenten dagegen erst nach längerem Überlegen einfiel, geschweige denn, ob dieser Haustiere habe.

Wahrscheinlich wird es Spot und Barney nie nach Bukarest verschlagen, und wahrscheinlich wird keiner der zahl- und namenlosen Straßenhunde Bukarests je George W. Bush Pfote geben, aber für die devote Geste gegenüber den USA ist in Rumänien ohnehin die Politik zuständig, daran lassen auch die politisch ausgerichteten Beiträge von "Rumänien nach der Revolution" keinen Zweifel. Der Zweifel gilt eher schon und immer noch der Behauptung, dass es eine solche Revolution überhaupt je gegeben hat.

Seit den Tagen der Revolution sind bald zwei Jahrzehnte vergangen. Rumänien hat einen radikalen Transformationsprozess und einen mühseligen Weg Richtung Europäische Union hinter sich, in der es Anfang diesen Jahres als Mitglied angekommen ist. Es bleibt dahingestellt, ob die Bewohner der restlichen Union schon in Rumänien angekommen sind. Wer sich selbst auf den Weg dorthin machen möchte, der wird in "Rumänien nach der Revolution" jedenfalls einen guten Begleiter finden.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Kristina Werndl (Hg.), "Rumänien nach der Revolution", Braumüller Verlag

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