Patchworkland Rumänien - Teil 4

Das Leben der Roma

In Rumänien sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Roma-Gruppen augenfällig. Nur wenige sprechen Romanes, die meisten Ungarisch oder Rumänisch. Auch in allen Berufen sind Roma vertreten, bittere Armut überwiegt jedoch.

Auch in Westeuropa hat es sich schon herumgesprochen, dass "Roma" nur der Sammelbegriff ist für mehrere verschiedene Gruppen, die jede ihr eigenes Leben lebt. In Rumänien sind die Unterschiede zwischen ihnen augenfällig, sogar für den naiven Blick durchreisender Touristen. Die Roma sprechen Rumänisch, Ungarisch oder, seltener, Romanes. Sie verkaufen am Straßenrand geschmiedete Kupferkessel, fertigen unter freiem Himmel Lehmziegel, hämmern an kunstvollen Dachzierden aus Zinkblech, stehen im Rauch von Kohlenmeilern, beschlagen Pferde, bieten auf Märkten ihre Flechtwaren an oder selbstgesammelte Pilze, handeln mit allem und jedem, züchten Pferde und verkaufen sie auf Pferdemärkten.

Roma werken auf Baustellen und beim Flicken der ewig kaputten Straßenbeläge, sind Bauern oder Taglöhner, Industriearbeiter, Musiker, Goldschmiede, und selten aber doch Anwälte, Ärzte, Schriftsteller. Oder arbeitslos. Einige wohnen noch in Planwägen und Zelten, viele in Lehmhüttensiedlungen, manche in ganz normalen Häusern, einige in Palästen, einige in Verschlägen auf Müllkippen.

Nur vier Häuser mit Strom

Magdi und András sind ungarische Roma, sie sprechen kein Romanes, nur Ungarisch und Rumänisch. Wenn sie hier wegziehen könnte, nicht einmal zum Sterben würde sie zurückkehren, sagt Magdi. Hier, das ist die Romasiedlung am Rand von Sfintu Gheorge, ungarisch Sepsiszentgyörgy, einer fast komplett ungarischsprachigen Stadt im Südosten Siebenbürgens. Die meist winzigen bunten Lehmhäuser sehen hübsch aus und lassen sich im Winter gut heizen. Aber das Drumherum ist Favela; zumindest am unteren Teil des Hangs, wo Magdi und András wohnen. Keine Baugenehmigung, daher keine Kanalisation. Wenn es regnet, mischt sich der Schlamm nicht nur mit dem Mist der Haustiere, wie Magdi andeutet.

András hat einen Arbeitsplatz, als Hausarbeiter in dem Hotel-Restaurant in der Stadt, das einem aus Wien zurückgewanderten Siebenbürger Ungarn gehört. 150 Euro bekommt er im Monat; das ist leider noch immer ein normales Einkommen für Hilfsarbeit in den ländlichen Gegenden Rumäniens. Ein Teil davon fließt in den einzigen Luxus der beiden: Zigaretten. Für den Strom, den sie als Sub-Anzapfer von einem Anzapfer beziehen, und der gerade für Glühbirne und Kassettenrecorder reicht, für diese inoffizielle Stromrechnung hat András zuletzt Geld bei einem Geldverleiher in der Siedlung ausgeborgt.

"In dieser Siedlung gibt es ungefähr 500 Häuser. Und nur vier davon haben offiziell Strom", erklärt András. "Deswegen bleibt es oft dunkel in den Häuser. Wenn ein Kind in der Früh ein Stück Brot essen will, bevor es in die Schule geht, sieht es, dass die Ratte schon hineingebissen hat. Deswegen verbreiten sich Krankheiten. Von dem Hilfsgeld, das hierher geflossen ist, könnten eigentlich alle Häuser Strom bekommen."

Ausländische Hilfsgelder versickern

An die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen hat András einen Appell: "Sie sollten uns mit Baumaterialien unterstützen und nicht mit Geld. Kein einziger von den armen Roma hier hat von dem ausländischen Geld etwas bekommen. Sogar die Kleiderspenden haben sie nicht ausgeteilt, sondern damit einen Second-Hand-Shop aufgemacht! Viele in der Roma-Selbstverwaltung sind Analphabeten. Einer kann schreiben - und der zaubert das Geld weg."

Es lässt sich schwerlich überprüfen, ob das stimmt. Aber andererseits, warum sollte die allgegenwärtige Korruption vor den Roma haltmachen?

Hohe Analphabetismusrate

Magdi bedauert es sehr, nicht lesen und schreiben zu können. Umso mehr Wert hat sie darauf gelegt, dass ihre sechs Kinder es richtig erlernen. Laut soziologischen Studien besucht etwa die Hälfte der rumänischen Romakinder nicht regelmäßig die Schule. Furcht vor Diskriminierung oder Scham, weil man schlecht gekleidet ist, spielen sicher eine Rolle, sind aber nach Magdis Beobachtung nicht der einzige Grund für die hohe Analphabetismusrate unter Roma. "Manchmal wollen die Kinder in die Schule gehen, aber die Eltern lassen sie nicht", weiß Magdi, "aber sie müssen etwas anderes erledigen, Holz holen im Wald etwa."

Wir staunen, wie wunderschön Magdis einzige Tochter in den letzten Jahren geworden ist. Einen festen Partner zu finden, wird aber nicht leicht für sie sein.

"In unserer Siedlung sind wir in der Rangordnung ganz unten, weil wir sehr arme Zigeuner sind", erklärt Magdi. "Der junge Mann, der jetzt ein Jahr lang mit meiner Tochter geht, hat reiche Eltern. Auch hier gibt es reiche Zigeuner. Als die Grenze geöffnet wurde, haben viele Zigeuner in Ungarn Geschäfte gemacht und sind reich geworden. Die jungen Männer aus diesen Familien verachten uns, weil wir so arm sind. Nur heimlich wollen sie sich mit meiner Tochter treffen, das heißt, es ist keine offizielle Beziehung. Ich habe dann einmal den Jungen zu mir bestellt und ihn gefragt, was hast du vor mit meiner Tochter? Er hat keine Antwort gegeben, nur, dass er noch überlegt. Ich habe gesagt, meine Tochter ist kein Straßenmädchen. Wenn Du sie liebst, dann sag es Deinem Vater. Er hat gesagt, sein Vater ist Musikzigeuner und will nicht, dass er ein armes Mädchen heiratet."

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