Von Tauben und Spatzen
Kroatische Filmtage in Wien
Filme aus Ex-Jugoslawien, die sich nicht nur mit dem Krieg auseinandersetzen, finden selten ihren Weg ins Kino. Eine Gelegenheit, sich einen Überblick über das zeitgenössische kroatische Filmschaffen zu holen, bietet das Wiener Topkino.
8. April 2017, 21:58
Die Rezeption von Filmen aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens war auf einige Werke begrenzt, die sich mit den vergangenen Kriegen(1991-1995), die zum Zerfall Jugoslawiens führten und die internationale Anerkennung erhalten haben.
Nach langem Zusammenleben der südslawischen Völker in einer staatlichen Einheit fällt es dem lokalen Kinopublikum sehr schwer, sich an die neue Realität zu gewöhnen. Obwohl in allen, jetzt unabhängigen Staaten, eine beachtliche eigenständige Filmproduktion vorhanden war, spricht man noch immer über den jugoslawischen Film.
Filme wurden in Südosteuropa schon seit dem Aufkommen der "siebenten Kunst" gegen Ende des 19. Jahrhunderts gezeigt und produziert. Die Länder, die sich innerhalb der k.u.k. Monarchie befanden - Bosnien, Kroatien und Slowenien -, teilten die Geschichte des Films mit anderen vergleichbaren Ländern. Die meisten Filmemacher stammten aus Österreich und Ungarn aber es gab auch viele lokale Filmschaffende. Nach einigen Angaben, waren am Ende des ersten Weltkriegs schon 30 Kinosäle vorhanden. 1916 erschien in Zagreb die erste Filmzeitschrift, "Kino", und 1917 wurde auch in Zagreb die erste Filmschule gegründet.
Der jugoslawische Film
Die zusammenfassende Bezeichnung "Der jugoslawische Film" entstand nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Idee Lenins folgend, dass der Film die wichtigste Kunst unter allen Künsten sei - so geäußert 1922 -, entwickelte sich in allen sozialistischen Ländern Europas eine starke Filmproduktion.
Präsident Titos Filmleidenschaft ist legendär. In Interviews unterstrich Dinko Tucakovic, der Leiter des Jugoslawischen Filmmuseums und Filmarchivs in Belgrad, dass Titos Liebe zum Film der Filmproduktion im Lande sehr geholfen hatte. Tito hatte, wie das Tucakovic äußerte, einen etwas kitschigen Geschmack. Das Archiv hat die Liste von den Filmen, die Tito zur Ansicht bestellt hatte. Sein Lieblingsfilm war "My Darling Clementine" von John Ford, den er 19 Mal gesehen hat. Tito genoss die Gesellschaft von Filmemachern und Filmschauspielern.
Unter diesen Voraussetzungen, Lenins theoretischer und Titos praktischer Liebe zum Film, entwickelte sich in Jugoslawien eine starke Filmindustrie. Sehr schnell fanden Filmautoren die Möglichkeiten, sich von den ideologischen Richtungen zu befreien und in den 1960er und 1970er Jahren des 20. Jahrhunderts hat der jugoslawische Film seine künstlerische Spitze erreicht. Nicht zufällig fiel diese Entwicklung mit der Liberalisierung der jugoslawischen Gesellschaft zusammen, die in dieser Periode ebenfalls ihre Blütezeit erlebte aber sehr schnell von der strengen Partie der Apparatschiks beendet wurde.
Paradoxerweise bezeichnete die Entliberalisierung der Gesellschaft auch das Ende des gemeinsamen Staates. Jugoslawien lebte zwar noch eine Weile als ein Staat weiter, aber die einzelne Teilrepubliken schlugen mehr und mehr ihren eigenen Wegen, die zum Zerfall des Staates führten.
Der kroatische Film
So gesehen, kann man nicht behaupten, dass der kroatische Film erst nach der Unabhängigkeit am Ende des 20. Jahrhunderts entstanden ist. Das Vorwort im Begleitheft zur jetzigen Filmpräsentation der kroatischen Filme im Wiener Topkino, das von dem kürzlich verstorbenen Filmkritiker und -theoretiker Ante Peterlic stammt, muss man in dieser Hinsicht ein wenig korrigieren.
Peterlic schrieb: "Der Anfang der Filmentwicklung in Kroatien war durchaus durch den Krieg und die Aggression auf Kroatien im Jahr 1991 determiniert. Unter Kriegsbedingungen, als auch in den nicht so erfolgreichen Bemühungen, die Kinematografie zu privatisieren, wurde die Produktion geschwächt."
Schon vor dem Krieg 1991 und der späteren Unabhängigkeit hat der kroatische Film eine lange Geschichte hinter sich. Die kroatischen Filmautoren haben schon seit Anfang des Films, unabhängig davon in welchen Staatsgebilden sie lebten, eine einständige und angesehene Filmsprache und wertvolle Werke geschaffen. Die Filmentwicklung in Kroatien geht mit der Entwicklung der Filmgeschichte als solcher einher.
In einer Zeit, in der man nicht-kommerzielle Filme selten im Kino sehen kann, ist dieses Programm eine ausgezeichnete Möglichkeit, einen Ausblick in die neue Produktion der Spiel- und Dokumentarfilme des Landes zu bekommen. Die Filmschaffenden in Kroatien haben sich von Lenin und Tito befreit und teilen heute mit ihren Versuchen das Schicksal von allen freien Filmautoren der Welt. Schade, dass man diese Filme nur bei solchen Gelegenheiten sehen kann. Doch, wie sagt man auch in Kroatien: Besser ein Spatz in der Hand, als eine Taube auf dem Dach.
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Topkino - Kroatische Filmtage in Wien