Franz Welser-Möst dirigiert "Die Walküre"

Start zum neuen Wiener "Ring"

Die mit Spannung erwartete Premiere von Richard Wagners Oper "Die Walküre" ging Sonntagabend über die Bühne der Wiener Staatsoper. Es war dies der Auftakt zur ersten Wiener Neuproduktion des "Rings" seit 15 Jahren. Österreich 1 übertrug live.

Eine der größten Herausforderungen des Musiktheaters stellt eine Neuproduktion von Richard Wagners Zyklus "Der Ring des Nibelungen" dar. Die zentralen Partien in diesem rund 14 Stunden Musik umfassenden Monumentalwerk gehören zu den schwersten und anspruchsvollsten der gesamten Opernliteratur, doch nicht nur die Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne und im Orchestergraben sind bei den vier "Ring"-Abenden außergewöhnlich gefordert, sondern auch jeder Regisseur, der sich der Aufgabe einer Neuinszenierung stellt.

"Man kann dieses gewaltige Werk unter den verschiedensten Blickwinkeln interpretieren: als großes Welttheater, als leidenschaftliches Seelendrama, als sozialrevolutionäre Utopie oder als Mythos, der in Symbolen die tiefsten Geheimnisse unseres Seins sinnbildlich zur Darstellung zu bringen versucht", so Ioan Holender, der sich in seiner Amtszeit als Direktor der Wiener Staatsoper bereits zum zweiten Mal an eine Neuproduktion von Wagners Zyklus wagt.

Jeder Zeit ihren "Ring"

1992/93 war die letzte Neuproduktion an der Staatsoper herausgekommen, die erst zweite Gesamtinszenierung nach dem Karajan-"Ring" 1957-60 im Haus am Ring seit der Wiedereröffnung; inszeniert hatte sie Adolf Dresen in einer Ausstattung von Herbert Kapplmüller.

Bis Jänner 2006 stand diese Produktion auf dem Spielplan. "Was damals Gültigkeit hatte, gilt heute nicht mehr uneingeschränkt. Und so habe ich mich entschlossen, dieses Werk neu herauszubringen", so der Staatsoperndirektor gemäß seinem Motto "Der Zeit ihre Kunst - jeder Zeit ihren Ring!".

Auf zwei Spielzeiten aufgeteilt

Hatte man zu Beginn der 1990er Jahre den kompletten Zyklus in einer einzigen Saison realisiert, wird die nunmehrige Neuproduktion - inszeniert von Sven-Eric Bechtolf und dirigiert von Franz Welser-Möst - auf zwei Spielzeiten aufgeteilt. Und außerdem startete man das Projekt nicht mit dem "Vorabend", sondern mit dem "Ersten Tag des Bühnenfestspiels", mit der "Walküre", jenem Musikdrama, das am häufigsten auch losgelöst vom Gesamtzyklus zur Aufführung kommt und am problemlosesten, was das Verständnis betrifft, auch allein aufgeführt werden kann.

"Siegfried" folgt im April 2008 und "Götterdämmerung" im Dezember 2008, bevor mit dem Vorabend "Das Rheingold" im Mai 2009 die Tetralogie abgeschlossen und in zyklischer Form zur Aufführung gelangen wird.

Wagners "Gesamtkunstwerk"

Richard Wagner gilt als der große Neuerer der Gattung Oper im 19. Jahrhundert, in seinem "Gesamtkunstwerk" findet vieles von dem seinen "endgültigen" Ausdruck, was bereits rund 100 Jahre zuvor durch die "Reformopern" Christoph Willibald Glucks vorgezeichnet war: Gluck ging es - wie später Wagner - nicht um vordergründigen Ohrenschmaus und die brillante Präsentation von sängerischer Virtuosität, sondern um die Wahrheit eines echten und natürlichen Ausdrucks.

Ähnlich wie Wagner häufig sein Publikum mit der Neuartigkeit seiner Ausdrucksmittel überraschte, war es schon ein Jahrhundert zuvor zu heftigen Diskussionen unter den Opernliebhabern gekommen, als Gluck seine "Reformopern" zur Aufführung brachte. Zu den reifsten Werken dieser Gruppe zählt die 1779 uraufgeführte "Iphigénie en Tauride", ein Werk, das vielen Zeitgenossen hinsichtlich seiner dramatischen Schlagkraft und der Einheitlichkeit in Text und Musik, auch hinsichtlich der fließenden Wechsel zwischen Rezitativen und ariosen Formen als vollkommen neuartig erschien.

Gluck in New York

Für Aufführungen in Wien hatte Gluck sein Werk 1781 überarbeitet - und auf der Wiener Version basiert auch die Fassung, die in dieser Saison an der New Yorker Metropolitan Opera zur Aufführung kommt, übrigens das erste Mal seit 1917, dass diese Oper an New Yorks erster Opernbühne gespielt wird.

Doch nicht nur aus diesem Grund dürfte die Wiedergabe für Musikfreunde von großem Interesse sein, sondern auch auf Grund der Besetzung, die in der Rolle des Orest Plácido Domingo ankündigt: Auch im Herbst seiner Karriere ist der spanische Tenor für Überraschungen in Form neuer Rollen gut, vor allem, wenn es sich wie in diesem Fall um eine in der Regel von Baritonen übernommene Partie handelt.