Zum 30. Todestag von Ernst Waldbrunn

Ein komischer Schauspieler

"Ernst ist das Leben, heiter der Waldbrunn" stellte Hans Weigel einst über den beliebten Komiker fest, aber auch: Von Ernst Waldbrunn gehe unter Verzicht auf den gewohnten Waldbrunn nur Ernst aus. Am 22. Dezember jährt sich dessen Todestag zum 30. Mal.

"Das ist ein komischer Mensch!" sagt eine etwas exaltierte Dame mit dem nicht ganz zufälligen Namen Flatterer gleich im ersten der viereinhalb Akte, die Arthur Schnitzler von seiner Tragikomödie "Das Wort" fertiggestellt hat. Und sie, die ja eigentlich in das schäbige Kaffeehaus gekommen ist, um die hier ansässigen Literaten zu umflattern, sagt das von dem Pianisten Nachtigall, einem Burschen von alles andere als unendlichem Humor, der hier, in diesem plüschigen Tschecherl zwischen geistreichelnden Dichtern und solchen, die es gewesen sein wollen, mit Klavierspielen sein Geld verdienen muss.

Natürlich hat er bessere Zeiten gesehen, viel bessere - aber er würde sich nie nach ihnen umdrehen.

Das ließe sein mit der Zeit bitter gewordener Stolz nicht zu. - Gern erzählt er nur von einer Nacht, die er durchzuspielen hatte, vor einer maskierten, sichtlich entfesselten, von seinem suggestiven Spiel noch zusätzlich erhitzten Gesellschaft, die er über alle Hemmnisse hinweg zu orgiastischer Wunscherfüllung getrieben habe.

Der Nachtigall in "Das Wort" hat vollkommen recht: Er erzählt aus einem früheren Leben, jenem nämlich, das ihm Schnitzler in die "Traumnovelle" hineinschrieb, wo er, damals noch "ein gewisser Nachtigall" und eine prosaische Erzähl-Figur, am Klavier für schwüle Stimmung sorgte.

Bei der Uraufführung des Schnitzler’schen "Wort" - Fragmentes, 1969 am Theater in der Josefstadt zu Wien, spielte Ernst Waldbrunn diesen zwielichtigen und auch, sozusagen, zweigestaltigen Nachtigall mit derartiger Intensität und einer solchen Portion galligen Witzes, dass einem von all den bedeutenden (und blendend besetzten) Hauptrollen in diesem Stück gerade diese Nebenrolle, dieser Waldbrunn’sche Nachtigall im Ohr und im Gedächtnis blieb.

Wie kam denn, so fragte manch einer sich oder andere beim Hinausgehen, wie kam denn dieser lustige Vogel von einem Waldbrunn dazu, solche Rollen zu spielen? Noch dazu so unheimlich gut?

Der ernste Gipfel der Komödiantik

"Ernst ist das Leben, heiter der Waldbrunn" stellte Hans Weigel im Vorwort zu einem (leider längst verschollenen) kleinen Büchlein fest, in dem Ernst Waldbrunn, der beliebte Komiker, ein bisschen was aus seiner eigenen literarischen Manufaktur zum besten gab.

Als der heitere Waldbrunn ist er ja im Gedächtnis geblieben: als der begnadete Blödler in den Doppelconferencen mit Karl Farkas, mit denen Waldbrunn schon seit 1950 am Wiener Kabarett "Simpl" brilliert hatte, die ihn aber in späteren Jahren dann auch beim breiten Fernsehpublikum populär machten.

Aber Weigel schrieb auch: Von Ernst Waldbrunn gehe unter Verzicht auf den gewohnten Waldbrunn nur Ernst aus.

Und eben darin erreichte der Komiker Waldbrunn den Gipfel aller Komödiantik.

Autobiografische Bezüge

Sein notorischer jüdischer Flüchtling Jakobowsky in Franz Werfels Drama "Jakobowsky und der Oberst" - der "Komödie einer Tragödie" - war von geradezu archetypischem Rang.

Und in seinem eigenen, 1965 fertiggestellten autobiografischen Bühnenstück "Die Flucht" - der Tragödie einer Komödie - spielte Waldbrunn, als Hauptdarsteller, einen Komiker, der seinen Peiniger, einen SS-Mann, unbedingt zum Lachen bringen muss. Der um sein Leben spielt. Und der in seiner Verzweiflung sich selber als seinerzeitigen Solokabarettisten zu imitieren versucht...

Ernst Waldbrunn war beileibe nicht ein Mann der tausend Gesichter. Im Gegenteil: Er hatte dieses eine, ganz und gar unverwechselbare - aus dem freilich tausend Seelen zu sprechen vermochten.

Hör-Tipp
Patina, Sonntag, 16., 23. und 30. Dezember, jeweils 9:05 Uhr

Link
Theater in der Josefstadt - Ernst Waldbrunn