Historischer Roman von Drago Jancar

Katharina, der Pfau und der Jesuit

Sieben Jahre nach dem Erscheinen des slowenischen Originals liegt nun Drago Jancars Roman "Katharina, der Pfau und der Jesuit" auf Deutsch vor. Jancar entwirft darin ein großes Panorama der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der Zeit Maria Theresias.

Eröffnet wird Drago Jancars Roman mit einer plakativen Liebesszene, oszillierend zwischen dem Begehren Katharinas, der Tochter des krainischen Gutsverwalters Poljanec, und einer latenten Vergewaltigung, zwischen Realität und Imagination - dass es wirklich nur Katharinas überbordende Phantasie ist, die sich diese Szenen erschafft – um sich da sicher zu sein, muss man schon ziemlich viel gelesen haben von den 472 eng bedruckten Seiten dieses Romans. Aber man spürt es schon hier: Wer Szenen so auszuleuchten versteht, wer über eine derart komplexe Sprache verfügt und so suggestive Mäander von Sätzen souverän zu bauen weiß, dem ist man bereit, bis ans Ende zu folgen.

Angriff der Dämonen

Ist die imaginäre Liebesszene das Eingangsbild zu einer großen Liebesgeschichte, so wird man durch eine archaische Szenerie mit biblischen Anklängen mitten in das historische Panorama katapultiert. Aus Istrien, von der Küste her, so heißt es, seien die Dämonen gekommen, das Vieh im Dorf Dobrava ist unruhig und verhält sich rätselhaft. Schließlich brechen die Schweine aus und stürzen sich ins Meer. Dass sie aber tatsächlich ertrinken wie die biblische Schweineherde, in die die Dämonen gefahren sind, dazu müssen die Bauern schon kräftig nachhelfen und in ihrer Hysterie die Schweine ertränken und erschlagen. Man sieht, hier nähert sich ein Autor des 20. Jahrhunderts der Zeit an der Schwelle von Barock und Aufklärung, seine Detailgenauigkeit und Epochenkenntnis hält sich die Waage mit dem ironischen Blick von außen, von heute.

Dem aufgeklärten Laibacher Fürstbischof ist die Szene mit den Schweinen, die ihm berichtet wird, natürlich peinlich – wie ihm die ganze Volksfrömmigkeit peinlich ist, so peinlich wie die jedes siebte Jahr stattfindende Wallfahrt nach Köln am Rhein, oder nach Kelmorajn, wie die Slowenen sagen.

Liebe auf den ersten Blick

Der Titel "Katharina, der Pfau und der Jesuit" deutet auf eine Dreiecksgeschichte. Mit Sodomie hat das allerdings nichts zu tun, denn der Pfau, das ist Artilleriehauptmann Windisch, den Katharina schon so lange aus dem Fenster beobachtet hat, doch der eitle Geck beachtet sie nicht, ist nur in seine Seidentücher verliebt.

Dem Jesuiten Simon Lovrenc begegnet Katharina schon bald auf der Wallfahrt, die beiden verlieben sich auf den ersten Blick. Genau genommen ist dieser Simon ja Ex-Jesuit; er hat den Orden verlassen, als er miterleben musste, wie dieser die Indianer in Paraguay verraten und den Portugiesen ausgeliefert hat. Immer wieder kommen in Simon die Bilder von damals hoch, vor allem kann er das Indianermädchen nicht vergessen, dem ein portugiesischer Soldat die Kehle durchgeschnitten hat.

Probleme mit katholischer Sexualmoral

Kirchliches Machtkalkül, die ambivalente Geschichte des frühen Kolonialismus, aber auch die Stadt Lissabon nach dem großen Erdbeben von 1755, dem Tsunami des 18. Jahrhunderts - all das kommt durch die Figur Simons in den Fokus des Romans. Und die rigide katholische Sexualmoral mit ihren Schuldgefühlen, denn das Verbot ist nicht nur Motor der Lust, sondern auch quälender Selbstbezichtigungen.

Trotz allem werden Katharina und Simon ein Paar, ein Herz und eine Seele, entdecken, dass Liebe und Religion kein Gegensatz sind, sondern sich gegenseitig bedingen und interpretieren. Eine Idylle breitet sich aus, ein anderes Gefühl auch zu sich selbst, zum eigenen Körper erfasst die beiden, ein neuer Blick auf die Welt bricht auf, der sogar noch die Tiere mit einbezieht, jene Tiere, mit denen die christlichen Wallfahrer so grausam umgehen.

Wiedersehen nach vielen Jahren

Doch äußere Ereignisse und Missverständnisse bringen die beiden auseinander - unter anderem müssen sie wegen ihres nicht legalisierten Verhältnisses vor einem grotesken Gericht fliehen - und Katharina fällt in die Arme von Hauptmann Windisch, der im Siebenjährigen Krieg in der Armee Maria Theresias gegen Preußen kämpft. Die Brutalität des Militärs mit seinen Ritualen und die verheerende Niederlage in der Schlacht bei Leuthen werden sichtbar, Katharina zieht mit Windisch, halb Offiziershure, halb Verlobte. Er wird in der Schlacht verstümmelt und verliert sein halbes Gesicht.

Simon hat nicht aufgegeben, Katharina zu suchen, und sie nicht, an ihn zu denken. Noch einmal finden sie sich, die große Liebe bricht wieder auf, doch sie scheitert an Windisch, den Katharina pflegt und nicht verlassen kann, bis Simon ihn tötet. Doch wirklich zusammen finden die beiden nicht mehr, und als Katharina ihm sagen will, dass sie sein Kind erwartet, ist Simon bereits aus der Stadt - er hat bei den Jesuiten wieder um Aufnahme ersucht.

Einmal noch, nach vielen Jahren, begegnen die beiden einander in der Laibacher Klosterkirche, und Simon sieht seine zehnjährige Tochter. Die vergangene Liebe ist das Kostbarste, was Katharina und Simon geblieben ist, und der harte Schluss des Romans bewahrt mehr von ihr als unzählige Happy-Ends.

Alle Register der Sprache gezogen

Drago Jancar breitet einen Stoff aus, aus dem ein Kitschfilm gemacht sein könnte. Dass er bei ihm zum großen Roman geworden ist, liegt an seiner Sprache, die von derber Grobheit bis zu leisester Poesie über alle Register verfügt, und einer Erzähltechnik, mit der seitenlange Beschreibungen ebenso packend gelingen wie harte Schnitte.

Allenthalben möchte man zitieren, doch da müsste man ganze Abschnitte aus dem Roman herauslösen, denn ein einziger dieser unverwechselbaren Sätze geht oft schon über eine halbe Seite. Dass das alles auch im Deutschen einen intensiven Klang entfaltet, dass Assonanzen und genau gesetzte Wiederholungen eine Sogwirkung entfalten und dass auch den längsten Sätzen nichts Künstliches anhaftet, das ist wieder einmal das Verdienst des erfahrenen Übersetzers Klaus Detlef Olof, den man dafür gar nicht enthusiastisch genug loben kann.

"Das Buch der Woche" ist eine Aktion von Ö1 und Die Presse.

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Hör-Tipps
Kulturjournal, Freitag, 11. Jänner 2008, 16:30 Uhr

Ex libris, Sonntag, 13. Jänner 2008, 18:15 Uhr

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Buch-Tipps
Drago Jancar, "Katharina, der Pfau und der Jesuit", aus dem Slowenischen übersetzt von Klaus Detlef Olof, Folio Verlag

Drago Jancar, "Luzias Augen", aus dem Slowenischen übersetzt von Daniela Kocmut und Klaus Detlef Olof, Folio Verlag

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