Was ist das?
Familienaufstellung
Das Angebot von "Aufstellungs-Anbietern" ist unübersichtlich. Aufgrund zahlreicher Beschwerden hat das Gesundheitsministerium eine Informationsbroschüre verfasst. Die umstrittenste Aufstellungsarbeit ist das "Familienstellen" nach Bert Hellinger.
8. April 2017, 21:58
Es gibt mehrere Formen der Aufstellungsarbeit - die wohl bekannteste und gleichzeitig umstrittenste ist das Familienstellen nach Bert Hellinger. Dabei werden von einem Klienten beliebige Personen aus dem Kreis der Anwesenden stellvertretend für Familienmitglieder räumlich so angeordnet, dass diese Aufstellung seiner Wahrnehmung der Familiensituation entspricht.
Durch diese nun sichtbar gemachte innere Realität ergeben sich meist bereits Veränderungen der bisherigen Sichtweise. Außerdem verhilft die Reaktion der beteiligten Personen dem Klienten zu neuen intellektuellen und emotionalen Erkenntnissen und schließlich gibt es die Unterstützung des Therapeuten. So der Idealfall.
Eine riskante Technik?
In den letzten zehn Jahren hat die Methode des Familienaufstellens einen Boom erlebt. Das immer größer werdende Interesse an dieser psychotherapeutischen Technik hat jedoch dazu geführt, dass auch das Angebot von "Aufstellungs-Anbietern" immer unübersichtlicher wurde.
Der Mangel an Qualitätsstandards und zahlreiche Beschwerden von "Aufstellungsopfern" haben dann 2005 das Österreichische Gesundheitsministerium auf den Plan gerufen. Es wurde eigens eine Arbeitsgruppe einberufen, die eine Informationsbroschüre mit Warnhinweisen für einen ungefährlichen Einsatz von Familienaufstellungen erarbeitete. In dieser Broschüre wird dezidiert darauf hingewiesen, dass bei Aufstellungsprozessen kränkende, krank machende und traumatisierende Lebenserfahrungen Gefühls aktivierend erfahrbar gemacht werden. Menschen mit einem hohen Leidensdruck sollten Familienaufstellungen also unbedingt nur mit erfahrenen, gut ausgebildeten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten durchleben.
Die Wurzeln der Aufstellungsarbeit
Ursprünglich ist die Aufstellungsarbeit aus der Methode Psychodrama, Soziometrie und Rollenspiel in den 1930ern entstanden. Bei diesem Therapieverfahren ist die Familienaufstellung nur eine von vielen Techniken und sie ist in einen psychotherapeutischen Gesamtprozess eingegliedert.
Dann, etwa um 1960 hat die Familientherapeutin Virginia Satir diese Technik ebenfalls aufgegriffen und unter dem Begriff Familienskulptur in die systemische Familientherapie eingebracht. Später hat Bert Hellinger diese Technik zu einem eigenen System entwickelt.
Ein jahrelanger Streit
Seit Anfang der 1990 hat das Familienstellen nach Hellinger einerseits sehr viele Menschen angezogen, andererseits zu heftigen Debatten unter den Psychotherapie-Schulen geführt.
Ein Teil der Kritik richtet sich gegen die Person Hellingers, ein Teil gegen die von ihm entwickelten Techniken. Die große Mehrheit der nach Virginia Satir arbeitenden Familientherapeuten und deren Vereinigung, die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF), distanzierten sich mittlerweile von Bert Hellinger in einer gemeinsamen Erklärung und bezeichnen seine Methoden darin als "ethisch nicht vertretbar und gefährlich für die Betroffenen zu beurteilen".
Konkret wird Hellinger vorgeworfen, gegen einfachste Regeln der Psychotherapie zu verstoßen und im Anschluss an eine Sitzung seine Klienten allein zu lassen und ihnen nicht zu helfen, ihre Eindrücke und oft starke emotionale Anspannung zu verarbeiten.
Siegeszug der Aufstellungsarbeit?
Mittlerweile haben sich weitere Methoden der Aufstellung etabliert, zum Beispiel die Strukturaufstellung von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd.
Die Aufstellungsarbeit hat nun außerdem in den letzten Jahren auch außerhalb des psychotherapeutischen Kontextes so was wie einen Siegeszug angetreten. Diese Interventionsform wird zunehmend in Beratung, Supervision und Coaching von Unternehmen und Organisationen angewandt.
Bei der klassischen Organisationsaufstellung werden üblicherweise konkrete Personen einer Organisation oder einer Firma aufgestellt. Damit werden zum Beispiel Konflikte innerhalb eines Teams oder Hierarchiekonflikte im wahrsten Sinne des Wortes rasch sichtbar gemacht.
Diskutiern Sie mit!
Wenn Sie Fragen haben oder von Ihren eigenen Erfahrungen berichten möchten, dann rufen Sie während der Sendung unter der kostenlosen Telefonnummer 0800 22 6979 an, oder posten Sie hier.
- Haben Sie bereits mit Familienaufstellungen positive oder negative Erfahrungen gemacht?
- Was ist der "Trick" bei dieser Technik oder handelt es sich ohnehin nur um Scharlatanerie?
- Wo liegen nun die Möglichkeiten und Risiken der Methode?
- Wie kann man sich von der Qualifikation der Anbieter überzeugen?
Mehr dazu in der Online-Infomappe
Hör-Tipp
Radiodoktor - Medizin und Gesundheit, Montag, 4. Februar 2008, 14:20 Uhr