Mehr Trost als Trauer

Ein deutsches Requiem

"Ein deutsches Requiem" ist Johannes Brahms’ umfangreichstes, ja zentrales Chorwerk. In der Länge beziehungsweise Tempovorstellung gibt es bei den Interpretationen beträchtliche Unterschiede - die Aufführungsdauer schwankt zwischen 62 und 80 Minuten.

Brahms' Requiem, 2. Satz, Furtwängler und Norrington

Das Brahms-Requiem ist ein singuläres Werk, nur sich selber gleich. Sehr persönlich. Keine Totenmesse im herkömmlichen Sinn, die mit ewiger Verdammnis droht und dem strafenden Tag des Zorns. Keine Angst vor dem Tod kennzeichnet das Requiem, mehr Trost ist es als Trauer und Schmerz.

Dieses "selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden" ist das bestimmende Motto. Brahms, ein Agnostiker, schreibt nicht nur nicht-liturgische Musik, sondern ein Requiem, abseits der Gattungstraditionen. Frei setzt er sich auseinander mit dem Problem des "wir müssen alle sterben".

Bibelkenner Brahms

Individuell die Textauswahl: Brahms verwendet Texte aus dem Alten Testament, Psalmen und Abschnitte aus dem Buch Jesaja, Bibelstellen aus dem Neuen Testament und aus den Apokryphen.

Brahms war ein profunder Bibelkenner, er hatte als Kind eine Bibel geschenkt bekommen, in der soll er immer wieder gelesen haben. Diese Bibel ist in Wien aufbewahrt, ist voll von Bleistiftanmerkungen, darüber hinaus führte Brahms ein Notizbuch mit detaillierten Angaben von möglicherweise verwendbaren Texten. Wobei ihm an der dichterischen Qualität sehr viel gelegen ist.

Wie schnell ist langsam?

"Ein deutsches Requiem" ist Johannes Brahms’ umfangreichstes, ja zentrales Chorwerk. In der Länge beziehungsweise Tempovorstellung gibt es bei den Interpretationen beträchtliche Unterschiede, Furtwängler benötigte 1948 80 Minuten, Roger Norrington kommt im Jahre 1993 mit 62 Minuten aus, die meisten Aufnahmen, die ich gehört habe, pendeln zwischen 70 bis 75 Minuten.

Immer langsamer

Roger Norrington ist viereinhalb Minuten früher fertig mit dem zweiten Satz als Wilhelm Furtwängler im Jahr 1947. "Erst in der Rezeptionsgeschichte hat man die Traurigkeit hervorgehoben, den von Brahms gespendeten Trost in Betrachtungen über den Schmerz verwandelt und dafür wesentlich langsamere Tempi gewählt", meinte Nikolaus Harnoncourt in einem Gespräch mit Otto Biba.

Biba, der Direktor des Archivs der Gesellschaft der Musikfreunde, schaute in den von Brahms und noch zwei Generationen danach verwendeten Orchesterstimmen nach, in die manche Musiker die Dauer der einzelnen Sätze oder des ganzen Werkes eingetragen hatten, und kann nachweisen, dass einige Stellen extrem langsamer, wiederum andere Stellen extrem rascher genommen wurden.

Ein Chorfest

Aus sieben Sätzen besteht das Deutsche Requiem von Johannes Brahms. Eine symmetrische Anlage, ein durchdachter tonaler und struktureller Bogen, eins und sieben gehören zusammen, zwei und sechs entsprechen sich, ebenso der dritte und der fünfte Satz, dazwischen als Spiegelachse, als Bindeglied, der vierte Satz, ihn hat Brahms im April 1865 als ersten vollendet.

Den Hauptanteil trägt der Chor, er ist in allen Sätzen vertreten. Brahms verzichtet auf das sonst übliche Solistenquartett, seine beiden Solostimmen sind ein Bariton und ein Sopran, die er ganz individuell in den Gesamtklang integriert.

Hinweis für Chorbegeisterte

Das Institut Anton Bruckner der Musikuniversität Wien wird ab Sommersemester 2008 in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Vokalmusik einen Kinderchor anbieten, der regelmäßig Donnerstags von 16:00 bis 17:15 Uhr stattfinden wird.

Der Kinderunichor richtet sich an alle neun- bis 13-jährigen Jugendlichen, die Lust am gemeinsamen Singen und bereits musikalische Vorerfahrungen haben. Auskünfte unter der Telefonnummer 01/71155/4800 und glassner@mdw.ac.at

Hör-Tipp
Ausgewählt, jeden Mittwoch, 10:05 Uhr

Link
Institut Anton Bruckner

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