Die Musicalerfolge des Frederick Loewe

Europäer, die den Broadway erobert haben

Frederick Loewes Karriere führte ihn nach Amerika, zunächst an den Broadway und dann nach Hollywood, assistiert vom Lyric-Produzenten Alan Lerner, sodass Lerner & Loewe in Amerika bald ebenso einen Begriff bildeten wie in England Gilbert & Sullivan.

Nicht ganz so zahlreich wie in Hollywood, aber in Einzelfällen durchaus nachhaltig und sensationsträchtig, haben europäische Komponisten auch am Broadway Fuß gefasst.

Was Hollywood und den Broadway betrifft sind viele Künstler jüdischer Herkunft aus Karrieregründen schon lange vor Hitler ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten gezogen und haben Erfolg gehabt - etwa Ernst Lubitsch und Billy Wilder, auf dem Gebiet der Filmregie - oder die Musiker Frederick Loewe und Fritz Kreisler. Die hatten alle schon vor 1933 einen Wohnsitz in den USA beziehungsweise waren bereits dort verheiratet.

Von Brecht zur amerikanischen Oper

Der zweite Europäer, der neben Frederick Loewe im Rahmen der "Musikgalerie" am 18.2. mit seinen Broadway-Erfolgen berücksichtigt wird, ist Kurt Weill. Er war jüdischer Herkunft und erhielt einmal den Vorwurf, seine Musik klinge - etwa im Gegensatz zu Irving Berlin - zu wenig amerikanisch.

Weill kam aus Berlin, aber Irving Berlin aus Sibirien, das wohl auch weit genug von den USA entfernt ist, um solche Vorwürfe herauszufordern. Weill entgegnete darauf lapidar: Der einzige Unterschied, den er sehe ist, dass Berlin ein russischer Jude sei und er ein deutscher. Allerdings lag bei genauerer Betrachtung der Unterschied eher darin, dass Berlin als Kind in die USA kam und sich dort mit Sensationserfolgen wie "Alexanders Ragtime Band" schon einen Namen in der neuen Heimat machte, Weill hingegen seinen "Mack the knife"-Ruhm schon aus Deutschland mitgebracht hat.

Amerikanische Volksoper

Was allerdings die Anpassungsfähigkeit Weills angeht, so ist sie kaum zu übertreffen. Immerhin hat er - nach der Metamorphose seines Song-Stils, der sich von Bänkelliedern herleitet, in einen typisch amerikanischen Musicalsound ("Knickerbocker Holiday", "Lady in the dark", "Lost in the stars") mit "Street Scene" eine amerikanische Volksoper geschaffen.

Die ist oft als neue Form, als "Broadway Opera" betrachtet worden, weil sich hier Arien und Ensembleszenen mit musikbegleiteten Sprechtexten mischen, also unterschiedliche Opernelemente - rezitativische wie ariose - ineinander verwebt wurden.

Popularitätsschub vier Jahre nach dem Tod
Leider war es Kurt Weill nicht vergönnt gewesen, auf diesem viel versprechenden Weg weiterzugehen. Ery starb schon mit 50 Jahren und erlebte den entscheidenden Popularitätsschub vier Jahre danach nicht mehr: Die Neuproduktion der Dreigroschenoper am Broadway erreichte unter der tätigen Mithilfe seiner Witwe Lotte Lenya mehr als 2.700 Vorstellungen.

Das war eine andere Dimension als "Street Scene" - mit 148 Vorstellungen eher eine Visitenkarte. Für Weill bestenfalls die Generalprobe einer amerikanischen Oper, für die er als Rezept formuliert hat: "Die Form, die mir vorschwebt, ist die komplette Integration von Drama und Musik mit allen Elementen einer guten Show."

In Wien geboren?

Weills Herkunft ist offenkundig, wogegen die des "My fair Lady"-Komponisten Frederick Loewe im Dunkeln liegt. Besser: im Halbdunkel. Der Vater war ein bekannter Operettentenor - Edmund Loewe - der zwischen Wien, Berlin, Graz und Hamburg pendelte und dessen Gastauftritte hn bis nach Amerika brachten.

Die Lexika sind sowohl über den Geburtsort, als auch über das Geburtsjahr des Sohnes Fritz uneinig. Glaubt man Wikipedia oder den Fachlexika wie dem Riemann-Musiklexikon, der Cinemania-Enzyklopädie des Films, oder sogar der neuesten Brockhaus Enzyklopädie, so ist Frederick ein Wiener und nach dem Mehrheits-Urteil 1904 geboren.

Wahrscheinlich ein Berliner
Konsultiert man dagegen sowohl Groves Dictionary of music and musicians, als auch die neueste Ausgabe der MGG (Musik in Geschichte und Gegenwart), so erhält Berlin den Zuschlag als Geburtsort. Dennoch sind auch diese beiden Fachlexika sich nicht über das Jahr einig: 1904 steht im Grove, 1901 in der MGG.

Im Lichte dieser Unklarheiten wird es glaubwürdiger, dass der Autor des neuesten Groves alle die klischeehaften Erzählungen aus Loewes Jugend anzweifelt, die überall zu lesen sind, wie seine Behauptung, dass er als Pianist bei Eugen d'Albert und Ferruccio Busoni studiert hat, dass er als Wunderkind mit fünf Jahren komponierte, als Neunjähriger sexuell aktiv wurde, als Dreizehnjähriger mit den Berliner Philharmonikern konzertiert und mit 15 Jahren einen Hit-Song geschrieben hat, dessen Noten Zweimillionen mal verkauft wurden: Kathrin, du hast die schönsten Beine von Berlin.

Sensationsdauerbrenner "My Fair Lady"
Aber was macht das, wenn es doch gesichert ist, dass Loewe mit seinem Partner Alan Jay Lerner solche Musicalerfolge wie "Brigadoon", "Camelot", "Gigi", "Paint your wagon" und vor allem den Sensationsdauerbrenner "My fair Lady" hinterlassen hat, jenes Musical, dessen melodische Einfälle häufiger von Oscar Peterson & Co als Jazz-Standards benutzt wurden als die Melodien von Konkurrenten wie Porter, Berlin oder Rodgers.

Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 18. Februar 2008, 10:05 Uhr