Einschränkungen zu überwinden, ist spannend

Rüdiger Lainer

Im März gibt Turn On im Wiener Radiokulturhaus einen Überblick zur Architekturszene Österreichs. Die Präsentationen werden durch den Turn On Talk ergänzt. Im Mittelpunkt steht dieses Mal der Zeitsprung 1968 bis 2008. Dazu hat oe1.ORF.at auch alle Vortragenden befragt.

Rüdiger Lainer, geboren 1949 in Kaprun, seit 1985 als freischaffender Architekt tätig. 1997-2006 Leiter der Meisterklasse für Architektur an die Akademie der Bildenden Künste in Wien, Vorsitzender des Gestaltungsbeirats in Salzburg (seit 2004), Vorsitzender des Fachbeirats Wien (seit 2006), Mitglied Architekturbeirates der BIG (seit 2007). 2005 Gründung von Rüdiger Lainer + Partner Architekten, Büropartnerschaft mit Oliver Sterl.

Was muss Architektur aus Ihrer Sicht leisten?
Die wahrnehmung der wirklichkeit ein wenig zu verschieben um einen anderen blick auf das gewohnte zu stimulieren.

Fühlen Sie sich in Ihrer Entwurfsarbeit frei, Ihre Kreativität zu entfalten, oder sehen Sie sich überwiegend äußeren Zwängen unterworfen? Wenn ja, welchen?
Architektur entwickeln, bedingt das jonglieren mit einer fülle von parametern. Diese, die realität der architektur beeinflussenden ökonomischen, bürokratischen, funktionalen, konzeptuellen etc parameter sind einschränkungen wie auch stimulans. Dies zu beklagen ist wehleidig, zu versuchen, die einschränkungen zu überwinden, ist spannend.

Gibt es so etwas, wie eine "68er-Architektur" aus Ihrer Sicht, und wenn ja, welches wäre ihr herausragendes Beispiel?
Claude Parent und Paul Virilio mit der ca 1966 formulierten "architecture oblique" und deren auswirkung auf die avantgarde der späten 60er.

Wo sehen Sie die großen Kontinuitäten von 1968 bis heute, wo die Brüche?
Kontinuitäten sind die differenziert spektakulären ansätze zur sozialen dimension der architektur, zur kontextualität, zur flexibilität.

Konnte sich die Kreativität vor vierzig Jahren freier entfalten oder wird diese Zeit im Nachhinein verklärt?
Kulturgeschichte ist, da phänomenologisch, im grundsatz verklärend, kann jedoch aktuelle kreativität bereichern.

Karriere und Vermarktung spielen heute eine wichtige Rolle. Steht dies der Kreativität von Architekt/innen entgegen?
Nein, der kreativität per se sicher nicht, aber ohne vermarktung gibt’s weniger möglichkeiten sie auszuüben. Dann beginnt die suche nach der unbekümmertheit.

Spielen vergangene Entwicklungen und Traditionen für Sie als Architekt/in eine Rolle, oder dominieren Ihre Arbeit Fragen der Gegenwart?
Gegenwart ohne vergangenheit wäre etwas kurz

Was würden Sie gerne entwerfen/bauen, wenn Sie keinen äußeren Zwängen unterworfen wären?
Bauen basiert auf der positiven sicht auf bedingungen, beengend ist nur bürokratische und autokratische beschränktheit.