Handshake mit Mickey Mouse

Leopold Stokowskis Karriere der Rekorde

Leopold Stokowski, der Klangmagier, der bei den ersten Stereoaufnahmen im Jahr 1932 dirigierte und die Amerikaner mit Werken der Zweiten Wiener Schule bekannt gemacht hat, spielte auch in Hollywood eine Rolle - und nicht nur die eines Dirigenten.

Stokowski dirigiert Bach

Für Walt Disneys Zeichentrickfilme hat er Soundtracks hergestellt - sowohl als Arrangeur als auch als Dirigent "seines" Philadelphia Orchestra, das Toscanini als das beste der Welt bezeichnet hat. Aber auch etwa 2.000 Ur- und Erstaufführungen haben Stokowskis Biografen gezählt, darunter Uraufführungen von Schönberg, Henze, Messiaen, Malipiero, Antheil, Frank Martin, Ives und Varese.

Er hat Prokofieff und Schostakowitsch in Amerika populär gemacht, letzteren von der 1. Symphonie an - und Strawinsky sogar den Weg nach Hollywood geebnet. Wer hat wohl die "Gurrelieder" von Schönberg in Amerika erstaufgeführt, wer Mahlers "Symphonie der Tausend", Strawinskys "Oedipus Rex", Schönbergs "Erwartung" und "glückliche Hand", sowohl die Alpensymphonie als auch Alban Bergs "Wozzeck"? Natürlich lautet die Antwort darauf immer wieder: Stokowski und nochmals Stokowski.

Rekordverdächtig

Wären nicht die meisten dieser ungewöhnlichen Leistungen zu seriös und zu sehr künstlerischen Prinzipien verpflichtet, man würde mehrfache Eintragungen im Guinness Book of Records finden.

Zunächst die Lebensdaten: 1882 bis 1977 - er hat also ein Alter von 95 Jahren erreicht, noch im Todesjahr seine letzte Schallplattenaufnahme dirigiert und davor seinen Plattenvertrag bis zum 100. Geburtstag verlängert!

Filmisches Werk

Schlägt man das Filmlexikon Cinemania von Microsoft auf, findet sich der Name Stokowski als einziger von den großen Dirigenten mit Biografie und Filmografie. Und zwar - mehr als einmal - auch als Darsteller, nicht nur in jenem berühmten Zeichentrickfilm Walt Disneys, in dem ihm Mickey Mouse die Hand schüttelt. Insgesamt umfasst sein filmografisches Oeuvre vier Spielfilme.

Wenn man in seinen Biografien blättern - es gibt eine ganze Reihe davon -, dann vereint er die extremsten Gegensätze, die eines hemmungslosen Showmans, der Opernauftritte lieber vermied, weil er dort im Graben und nicht auf dem Podium stehen konnte und eine Vorkämpfers der Moderne.

Hochromantische Bearbeitungen
Einerseits liebte er es, Werke in einem hochromantischen Stil für großes Orchester zu bearbeiten - besonders gerne, aber bei weitem nicht nur die Orgelwerke Bachs -, andererseits legte er außerordentliche Akribie der Detailarbeit bei den Orchesterproben an den Tag. Ein Präzisionsfanatiker und ein Klangfanatiker.

Apropos Klang. Er war ausgebildeter Organist - als Bachelor of Music hat er das Queens Collage in Oxford abgeschlossen, nachdem er als jüngster Student im Alter von 13 seine Musikausbildung im Royal Collage of Music in London begonnen hatte.

Organist auf Lebenszeit
Manche seiner Kritiker haben behautet, er hätte sein ganzes Leben lang Orgel gespielt, nur, dass er lieber statt eines, eine Vielzahl von Instrumenten verwendet hat. Tatsache ist, dass die von ihm entwickelte Klangpracht, die man schon in den Dreißiger Jahren in Amerika den Philadelphia Sound oder Stokowski-Sound nannte, von der Fülle des Orgelklanges inspiriert war.

In der Presse wurde das natürlich ironisch kommentiert: Zwar gebe es keinen Dirigenten, der mehr Klang aus der Musik herausholen kann, aber viele, die mehr Musik aus der Musik herausholen - was immer so eine Spitzfindigkeit heißen mag.

An der Seite der Garbo
Die öffentliche Meinung hat ihm seinen Hang zur Prominenz weiblicher Partner übel genommen, ganz besonders im Fall von Greta Garbo, mit der er eine lange Europareise unternahm - von Italien nach Schweden. Geheiratet hat er nicht nur eine berühmte Pianistin, sondern später auch eine potentielle Mäzenin - Gloria Vanderbilt.

In vieler Hinsicht wirkte Stokowski kontroversiell - anders gesagt: Mehrere Seelen wohnten in seiner Brust, die eines Popstars am Pult, der seine Hände beleuchten ließ, die eines Vorkämpfers der Moderne, die des Technik-Fans, der stets bereit war, neue Aufnahmeverfahren zu testen - wie später Karajan in der nächsten Dirigentengeneration, die des Klangfetischisten und Bearbeiters für Hörer mit kulinarischem Geschmack und das betrifft nicht nur Bachs Orgelwerk, sondern beispielsweise auch Mozarts "Don Giovanni" Ouvertüre mit Posaunen, die Mozart im Original erst später, für die Höllenfahrt des Titelhelden verwendet hat.

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Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 31. März 2008, 10:05 Uhr