Wackelt die zweite Säule?

Pensionskassen

Österreichs Pensionskassen stellen die sogenannte zweite Säule des Pensionssystems neben der gesetzlichen ASVG-Pension dar. Insgesamt 19 Pensionskassen verwalten rund 13 Milliarden Euro, doch bis zu 16.000 Personen drohen Kürzungen.

Pensionskassen gibt es in Österreich seit 1990. Inzwischen sind es 13 betriebliche und sechs überbetriebliche Pensionskassen, die insgesamt rund 13 Milliarden Euro verwalten.

Das Geld ist zu 60 bis 70 Prozent in Anleihen angelegt, zum geringeren Teil in Aktien. Rund 570.000 Personen sind in diesem Pensionskassensystem erfasst, gut 500.000 als Anwärter, rund 50.000 beziehen bereits eine Betriebspension. Aber für einen großen Teil von ihnen gibt es böse Überraschungen, denn ihre Pensionen wurden und werden empfindlich gekürzt. Zwischen 10.000 und 16.000 Menschen sollen es nach Schätzungen des Schutzverbandes der Pensionskassenberechtigten sein.

Was Pensionisten jetzt schon in der Geldbörse schmerzhaft zu spüren bekommen, läuft für Pensionsanwärter noch eher im Verborgenen, nämlich auf ihrem Pensionskassen-Anspar-Konto ab. Das Argument "nun ja, Verluste in schlechten Börsejahren gehören halt dazu", ist zu kurz gegriffen, denn das System birgt noch andere - vertragstechnische - Fallen. Und die ranken sich im Wesentlichen um drei Begriffe.

  • Beitragsorientiert. Das heißt: Der Arbeitgeber verpflichtet sich, einen bestimmten Prozentsatz der Lohnsumme oder einen Fixbetrag in die Pensionskasse einzuzahlen. Mit diesem Beitrag hat er seine Schuldigkeit getan, das weitere Risiko - etwa der Veranlagung durch die Manager der Pensionskasse - trägt der Berechtigte. Auch während der Phase des Ansparens, und erst recht, wenn die Pensionen ausgezahlt werden.
  • Leistungsorientiert. Das bedeutet: Der Arbeitgeber verpflichtet sich zu einer bestimmten Pensionshöhe, also zu einer bestimmten Leistung. Das Risiko für die Einhaltung dieser Pensionsleistung trägt der Arbeitgeber.
  • Rechnungszins. Dieser drückt ein Ertragsziel aus, das für eine gleich bleibende Pensionszahlung erreicht werden muss. Er wird zwischen dem Arbeitgeber und der Pensionskasse vereinbart. Je höher diese Ertragserwartung angesetzt ist, desto weniger muss der Arbeitgeber einzahlen. Er verschiebt also seine Pensionszusagen gegenüber den Mitarbeitern auf die Kapitalerträge der Pensionskasse. Bleibt der Anlageerfolg unter dieser Marke des Rechnungszinses, so werden Pensionen gekürzt. Mit anderen Worten: Je höher der Rechnungszins, desto schlechter für die Pensionisten.
Und: Das Ganze wird hingetrimmt auf die versicherungsmathematisch errechnete wahrscheinliche Lebenserwartung.

Opfer der new economy
Die Verträge werden zwischen den Pensionskassen und den Betrieben - unter Beiziehung des Betriebsrates - abgeschlossen. Viele Betriebe haben in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre ihre Betriebspensionen an Pensionskassen ausgelagert. Und weil damals allzu viele an die new economy mit einem ewigen Börseboom glaubten, wurden in den Pensionskassen-Verträgen Rechnungszinse, also Ertragserwartungen, bis über sieben Prozent pro Jahr vereinbart.

Wessen Firma so einen Gruppenvertrag hat, steckt da unausweichlich drin und kann jetzt nur hilflos zuschauen, wie seine Zusatzpension dahin schmilzt, weil die Ertragsziele nicht erreicht werden, und die Pensionskassen sind auch aus dem Schneider.

Expertenmeinungen
Günter Braun, Sprecher des Schutzverbandes kommt daher zu dem Schluss: Bei der herrschenden Rechtslage ist eine Pensionskasse nicht empfehlenswert.

Christian Böhm, Fachverbandsvorsteher der Pensionskassen in der Wirtschaftskammer, will das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Die Schwierigkeiten mit zu gering dotierten Pensionskassenbeiträgen einzelner Unternehmen räumt Böhm ein, aber in vielen Fällen sei die ausgelagerte Pensionskasse der einzige Pensionsgarant, wenn das Unternehmen nicht mehr existiert. Das räumt auch Otto Farny, Pensions- und Steuerexperte in der Arbeiterkammer ein.

Günter Braun vom Schutzverband der Pensionskassen-Berechtigten und AK-Experte Otto Farny kritisieren darüber hinaus: Die Pensionskassen können bei schlechten Veranlagungsergebnissen nicht zur Verantwortung gezogen werden, weil sei sich auf den Rechnungszins ausreden können und die gesetzliche Mindestgarantie zu gering sei. Beide fordern eine Mindestgarantie, die über die derzeitigen 1,5 Prozent deutlich hinausgeht.

Pensionskassen-Chef Christian Böhm kontert: Seit Bestehen haben die Pensionskassen einen jährliche Durchschnittsrendite von über sieben Prozent erwirtschaftet, es sei eine Schwankungsrückstellung zu dotieren, und auf Grund zu geringer Einzahlungen seien einige Firmen eben einen zu hohen Rechnungszins, also zu hohe Ertragsziele eingegangen, die in so manchem Jahr zu Pensionskürzungen geführt haben.

Tatsächlich hat die Finanzmarktaufsicht 2004 einen maximalen Rechnungszins mit 3,5 Prozent verfügt. Das ist eine Verbesserung für die Pensionisten bei neuen Verträgen, aber keine Lösung der älteren Problemfälle.

Entlastung durch Steuererleichterungen
Der Präsident des Seniorenrates, Andreas Khol, sieht den Ruf des Pensionskassensystems beschädigt und fordert Reformen. An den zu hohen Rechnungszinsen der Vergangenheit sei kaum zu rütteln, aber es gebe die Möglichkeit einer steuerlichen Entlastung: Die Pensionskassen-Pensionen sollen bei Pensionsantritt einer einmaligen Pauschalsteuer aus den Rücklagen der Pensionskassen unterworfen werden. Die künftigen Auszahlungen sollen steuerfrei sein.

Das sei eine spürbare Erleichterung für jene, die durch einen zu hohen Rechnungszinses belastet sind, aber trotzdem keine grundlegende Sanierung. Die sei praktisch nicht möglich, es sei denn, die Arbeitgeber zahlen nach. Aber das will Khol nicht fordern.

Pensionskassen-Chef Christian Böhm zeigt sich nicht abgeneigt, vergisst aber nicht, darüber hinaus Steuererleichterungen für die Ansparphase zu fordern.

Eine Arbeitsgruppe der Sozialpartner unter anderem mit Otto Farny arbeitet daran. Bis Juni sollen die Vorschläge auf dem Tisch liegen.