Was macht die Kirche zur Kirche?

Sakrale Architektur in Islam und Christentum

Österreich garantiert den staatlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften die freie Ausübung ihres Bekenntnisses. Kirchen gehören zum Ortsbild, wenn es sich aber um den Bau neuer Gebetsräume und Moscheen handelt, gehen die Wogen der Emotionen hoch.

Die sakrale Architektur im Christentum ist vielfältig und hat sich im Lauf der Jahrhunderte immer wieder verändert. Ursprung der christlichen Kirchen sind nicht die klassischen Tempel, die heiligen Bauten der Antike, sondern die Basiliken, ehemalige Mehrzweckräume, die auch als Markthalle, als Gerichts- und Begegnungsräume verwendet wurden, erläutert Pater Gustav Schörghofer. Er ist Kirchenrektor der Jesuitenkirche in Wien.

Bevor er in den Jesuitenorden eintrat, studierte Schörghofer Kunstgeschichte und klassische Archäologie in Salzburg. "Dieser basilikale Typ mit seinem Langhaus und den Seitenschiffen ist wie der Name vorherrschend geblieben", sagt Pater Georg Schörghofer. Wichtig sei auch bei der sakralen christlichen Architektur die Ausrichtung, und zwar nach Osten, hin zur aufgehenden Sonne, einem Symbol Jesu Christi. Ihm zugewandt und mit dem Rücken zu den Gläubigen feierten die katholischen Priester viele Jahrhunderte lang die Heilige Messe.

Neue Form in alten Hüllen

Beim Zweiten Vatikanischen Konzil in den Jahren zwischen 1962 und 1965 kam es auch zu einer tiefgreifenden Neuordnung der Liturgie. Der Volksaltar wurde eingeführt, das Latein durch die jeweilige Landessprache ersetzt. "Die "neue Form" der Gottesdienste wird also jetzt in "alten Hüllen" gefeiert, und das ist eine große Herausforderung", sagt Pater Schörghofer.

Die moderne Kirchenarchitektur hat sich dieser Herausforderung gestellt. Österreichische Architekten wie Heinz Tesar und anderen ist es, so meint Gustav Schörghofer, sehr gut gelungen, aus modernen Materialien wie Beton, zeitgemäße und der neuen Liturgieform angepasste Kirchen mit zentralen Altarräumen zu bauen.

"Die Menschen halten das Strenge oft nicht aus und haben eine Sehnsucht nach Wärme und Heimeligkeit, und der müssen die Architekten auch im zeitgenössischen sakralen Kirchenbau gerecht werden", sagt der Jesuitenpater.

Podrecca plaudert aus der Schule

Der Architekt Boris Podrecca hat moderne Bürogebäude, Wohnhäuser und Kirchen gebaut sowie öffentliche Plätze gestaltet. Zu seinen Auftraggebern zählten neben Konzernen und Gemeinden aber auch der Patriarch von Venedig und Kardinal Martini in Mailand.

"Ein spiritueller Raum ist sehr schwer zu definieren", sagt Boris Podrecca. "Für mich ist der nicht-profane Raum ein Ort für persönliches Gebet und für die Liturgie, nicht-alltäglich, und den muss ich als Architekt gestalten."

Boris Podrecca wurde 1940 in Belgrad im ehemaligen Jugoslawien geboren. Aufgewachsen ist er in Triest. Seine Mutter war orthodox, sein Vater katholisch; sein bester Freund ein Jude und in den Räumen der Anglikanischen Kirche fühlte er als Kind wohl. Heute bezeichnet sich der Architekt Boris Podrecca als "gläubigen Agnostiker".

"Ich glaube, alle Religionen haben in ihren Sakralbauten, in katholischen und evangelischen Kirchen, Tempeln und Moscheen Sinnformen von heute gefunden, ohne ihren Humus, ihre Tradition zu verlieren. Nur die Orthodoxie nicht", klagt Boris Podrecca. Das Symbol der brennenden Kerzen in Gestalt der Kuppeln sei zwar wunderschön, "aber es hat sich nichts bewegt".

Orthodoxer Auftrag

Vor einigen Jahren bekam Boris Podrecca den Auftrag, die serbisch-orthodoxe Kirche im 17. Wiener Gemeindebezirk umzugestalten.

"Als ich die Chance hatte, so eine Kirche zu bauen, habe ich versucht, einen Raum zu gestalten, wo Begriffe wie "Honig- oder Alabasterlicht" und eine gewisse Entrümpelung greifen. Teile wie die Ikonostase kann man nicht weglassen; sie sind wunderschön und essentiell wichtig. Wenn man diese wichtigen Symbole richtig interpretiert und ihnen auf den Grund geht, weg vom effektvollen Piktogramm, dann könnte man auch die Orthodoxie reformieren", sagt Boris Podrecca. "Diese kleine Kirche ist vielleicht die einzige, die diesen Versuch einer Neuinterpretation wagt, ohne den Boden der Tradition zu verlieren."