Talking Balkans 4

Gegen die Apathie

Eine starke Apathie macht sich bei der jungen Generation auf dem Balkan bemerkbar. Politisch interessiert sind die wenigsten, obwohl es gute Gründe für eine Einmischung der Jugend in die korruptive Politik der alten politischen Garde gibt.

Wie leben junge Menschen auf dem Balkan? Sind sie apathisch, haben sie resigniert, oder sind sie gar politisch aktiv? Mit dieser Frage beschäftigten sich die in Zagreb lebende deutsche Kulturanthropologin Caroline Hornstein-Tomic, die serbische Direktorin des European Fund for the Balkans, Hedvig Morvai-Horvat, die mazedonische Journalistin Eleonora Veninova und Erion Veliaj von der Europäischen Stabilitätsinitoative (ESI) in Albanien unter der Leitung von der Chefredakteurin des Standard, Alexandra Föderl-Schmid.

Apathie? Ja.

Ein großes Problem, das mit jenem der Apathie verstrickt sei, ist das albanische Phänomen "immer den anderen die Schuld zu geben, und nie sich selbst", meint Veliaj, der kein Problem hat, der albanische Gesellschaft eine große Portion Apathie zu attestieren.

Das gilt auch für Bosnien-Herzegowina, erzählt Hornstein-Tomic, die vor einiger Zeit in diesem Gebiet Projekte mit Jugendlichen durchführte. Einzelne engagierte junge Menschen habe sie durch die Jugendarbeit kennengelernt, aber das sei die Ausnahme, meint sie."Die große Mehrheit der Bevölkerung hat eine stark antipolitische Einstellung. Sie ist desillusioniert." Und das nicht ohne Grund: "Soziale Bewegungen wachsen überhaupt nur dort, wo es zumindest die Möglichkeit auf Veränderung gibt. Hier aber stagniert alles. Diese soziale und politische Atmosphäre erzeugt die Realität der Menschen."

Kosovo: Jugend mit Dynamit
Einen großen Unterschied stellt Hornstein diesbezüglich zwischen den Jugendlichen ihrer Wahlheimat Kroatien und Ländern wie Bosnien-Herzegowina oder Albanien fest. Gespannt sieht auch in den Kosovo, wo 70 Prozent der Bevölkerung unter 30 Jahre alt sind.

Das Veränderungspotential der jungen Menschen im Kosovo werde wohl eher in die negative Richtung gelenkt: Hier tummeln sich vor allem junge Menschen ohne Arbeit, und, schlimmer, ohne Ausbildung. Denn Ausbildung, so die Teilnehmer der Diskussion, ist der Schlüsselfaktor für eine nachhaltige und demokratische Entwicklung auf dem Balkan. Wirksamer als die Bekämpfung von Kriminalität sei daher eine stärkere Investition der EU in Bildungsfragen.

Mazedonien: politischer Small Talk
Die Arbeitslosenrate in Mazedonien erreiche bis zu 35 Prozent, so Veninova. "Hier kann es keine fröhlichen jungen Menschen geben". Politisch interessiert seien Jugendliche zwar schon früh, "aber auf einer Ebene der Hasssprache. Sie wissen genau, welche Partei sie gut finden und welche nicht, schimpfen auf Politiker. Es bleibt allerdings oberflächlich, politische Aktivitiäten oder Engagement sind damit nicht verbunden."

"Natürlich gibt es Apathie in Serbien. Aber sollten wir darüber beunruhigt sein? Viel größere Sorgen würde mich mir machen, wenn alle Menschen fröhlich durch die Gegend liefen. Ich würde denken, jetzt nehmen sie alle Drogen", so Morvai-Horvat.

Ansonsten seien die Jugendlichen jenen im Westen sehr ähnlich: "Sie lieben Angelina Jolie, 85 Prozent haben einen Computer, 90 Prozent Mobiltelefone, sie interessieren sich nicht für Politik, lesen keine Bücher, keine Zeitungen haben keine Hobbies", zitiert sie eine Umfrage.

Unterschied zu Jugendlichen im Westen
Dennoch unterschieden sich Jugendliche im Westen von jenen auf dem Balkan: "Der Hintergrund des vergangenen Krieges, fehlende demokratische Strukturen und vor allem die Erfahrung des Verlustes. Das können verstorbene Familienmitglieder sein, aber auch der Verlust an Chancen, an Zeit", so Hornstein-Tomic.

Von der Politik halten sich junge Menschen aus verschiedenen Gründen fern. Zum Einen gibt es zum Beispiel in Kroatien eine große NGO-Szene, wo man als politisch aktiver Mensch mitunter sogar mehr verdiene als in politischen Institutionen. Zum anderen gebe es für engagierte, gut ausgebildete junge Leute einfach keinen Platz in der Politik:

"Mir hat jemand, der im Ausland studiert hatte und in Kroatien bei einer NGO arbeitete erzählt, er wollten in die Politik überwechseln, hat es dort aber nicht ausgehalten. Er wollte mit dieser ekelhaft korruptiven politischen Szene nichts zu tun haben. Niemand, der ernsthaft politisch engagiert ist, will das."

Auf positive Beispiele konzentrieren
Dass sich neben dieser Apathie auch eine Menge Kreativität entwickelt hat, zeigt Veliaj am Beispiel Albanien: "Wo wir vor zehn Jahren noch Kinder mit Waffen herumlaufen sahen, finden wir heute junge Menschen, die Klopapier auf Regierungsgebäude werfen, die sich bei Stromausfall mit Heizgeräten vor dem Ministerium versammeln, die unglaublich kreative politische Protestideen einfallen lassen."