Zwiespältiges Verhalten der Regierung

Medienreform in Belarus

Am nationalen Feiertag verhaftete und misshandelte die belorusische Regierung Journalisten, die eine oppositionelle Demonstration begleiteten. Einen Tag später freute sich die OSZE über positive Signale Lukaschenkos für eine Reform des Mediengesetzes.

Vor kurzem hat die Regierung Weißrusslands Gespräche mit der OSZE aufgenommen: Gemeinsam wollen sie eine Reform des belarusischen Mediengesetzes erarbeiten. Fast zeitgleich lässt der diktatorische Präsident Lukaschenko bei einer Demonstration mehrere Journalisten verhaften und körperlich misshandeln. Welche Strategie verfolgt Lukaschenko mit Weißrusslands Medien?

Journalisten verhaftet
Der 25.März ist der weißrussischen Opposition demonstrationswürdig: Es ist der Tag der Staatsgründung. 90 Jahre alt ist die belarussische Volksrepublik, die, obwohl sie nur kurz bestand, doch als Grundstein einer eigenen Staatlichkeit gilt. 1000 Demonstranten versammelten sich in der Minsker Innenstadt, um gegen die Politik Lukaschenkos zu demonstrieren.

Die Polizei griff diesmal auch bei Journalisten ausländischer Medien hart durch: Mehrere Journalisten wurden festgenommen, darunter der Pressefotograf der epa (european press agency), Andrej Ljankewitsch,. Er kam auf Druck des österreichischen Journalisten Clubs (ÖJC) frei.

Redaktionen durchsucht
"Die Journalistengruppe vom Litauischen Fernsehen (LRF) wurde für einige Stunden verhaftet und die Videokassette mit den Aufnahmen entnommen. Ein Korrespondent der nichtstaatlichen Zeitung 'Nascha Niwa' wurde zu 15 Tagen Haft verurteilt. Er und sein Kollege Andrej Liankewitsch wurden von der Polizei verletzt", erzählt der belarusische Journalist Gennadij Kesner, der auch als Korrespondent für die Deutsche Welle tätig ist.

Gespräche mit OSZE
Einen Tag später, am 26. März 2008, trafen sich Regierungsmitglieder und Vertreter der OSZE in Minsk, um über die geplante Novelle des weißrussischen Mediengesetzes zu sprechen. Die Gespräche seien "positive Signale, dass es eine kontinuierliche Zusammenarbeit auch in Zukunft geben wird", so der Leiter des OSZE-Büros in Minsk, Hans-Jochen Schmidt, laut österreichischer Nachrichtenagentur APA.

Nähert sich der als "letzter Diktator Europas" bekannte Lukaschenko demokratischen Werten? Nein, ist Kesner überzeugt: "Die Annäherung an EU und OSZE ist nur Schein und hat nichts mit der Realität zu tun. Die Ereignisse in Minsk am 25. März, also Durchsuchungen, Verhaftungen und Vernehmungen von unabhängigen Journalisten, haben das wieder bewiesen." Seiner Meinung nach werden "diese Gespräche nur geführt, um die internationale Gemeinschaft zu beruhigen."

Medien sollen die Gesellschaft überzeugen
Seit 1991 ist Weißrussland ein eigenständiger Staat. Der seit 1994 amtierende Präsident Lukaschenko blieb unter anderem mit Hilfe der Medien bis heute im Amt: Staatliche Medien rühmen die wirtschaftlichen Erfolge des Landes und vor allem zeichnen sie ein düsteres Bild der Nachbarländer, die sich auf den demokratischen Wandel eingelassen haben.

Keine Privatisierung
Anders als in den Nachbarländern kam es zu keiner Privatisierung der Massenmedien. Die Chefredakteure staatlicher Zeitungen werden von Organen der Exekutive ernannt. Bei Gesetzesverstößen kann der staatliche Presserat den Redaktionen für Monate die Lizenz entziehen.

Die wenigen unabhängigen Zeitungen müssen im Ausland gedruckt und illegal importiert werden: das belarusische Pressehaus, welches 80 Prozent Marktanteil hält, steht unter Präsidialverwaltung und verlegt keine unabhängigen Zeitungen mehr.

Die Situation für nichtstaatliche Medien hat sich seit Lukaschenkos umstrittener Wiederwahl 2006 eher verschlechtert: So darf die älteste unabhängige Zeitung "Nasha Niwa" nun auch nicht mehr an normalen Zeitungskiosken verkauft werden. "Die Zahl der nichtstaatlichen Zeitungen und Zeitschriften sinkt mit jedem Jahr", so Kesner.

Drei Jahre Haft wegen Mohammed-Karrikaturen
Bis vor kurzem war auch das Verhältnis der Regierung zur OSZE noch getrübter. Im Januar kritisierte der OSZE- Beauftragte für Pressefreiheit, Miklos Haraszti, heftig die Verurteilung des weißrussischen Journalisten Alexander Sdwischkow, der wegen des Abdrucks der dänischen Mohammed-Karikaturen eine dreijährige Haftstrafe absitzen muss. "Ich empfinde die Verurteilung von Sdwischkow (...) als Teil einer Kampagne gegen eine Gruppe von unabhängigen Journalisten, von denen es ohnehin nur noch wenige in Weißrussland gibt", zitierte ihn die APA.

Medienreform bringt keine Verbesserungen
Kesner glaubt nicht, dass das Mediengesetz Verbesserungen für die Journalisten bringt. Eine Befürchtung, die durch die Informationssperre der belarusischen Behörden nicht gerade entkräftigt wird: "Die Regierung will Internetseiten zum Massenmedium erklären, was eine staatliche Registrierung im Ministerium für Information, also noch mehr Kontrolle, zur Folge hätte." Auch sollen die Behörden weiterhin befugt sein, Medien zu schließen.

"Ausführliche Informationen gibt es nicht, obwohl die belarusische Assoziation von Journalisten mehrmals forderte, den Gesetzentwurf für die Diskussion und Expertise darzustellen", so Gennadij Kesner, doch: "Ohne Erfolg."

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OSZE - Minsk
Nascha Niwa

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