Cousteaus Autobiografie
Der Mensch, die Orchidee und der Oktopus
Jacques Cousteau war ein Pionier der Unterwasserforschung. Elf Jahre nach seinem Tod ist nun die Autobiografie des Meeresforschers auf Deutsch erschienen. Warum so spät, bleibt offen. Aktuell sind seine Befunde des dramatischen Zustands der Meere aber dennoch.
8. April 2017, 21:58
Er war Frankreichs Nationalheld und er war der Mann mit der roten Haube: der Meeresforscher Jacques Cousteau. Der schmächtige Mann widmete sein Leben der Erforschung der marinen Ökosysteme und ihrer Bewahrung. Millionen von Zuschauern kannten seine Dokumentarfilme. Er war einer der wenigen Ausländer, die jemals in die Akademie der Wissenschaften in den USA gewählt wurde und doch war er vor allem eines: ein neugieriger Erkunder des Unbekannten. Cousteau starb 1997 im Alter von 87 Jahren. Jetzt - elf Jahre danach - ist seine Autobiografie erschienen, ein Buch, das er noch gemeinsam mit der Journalistin Susan Schiefelbein geschrieben hat. Warum das Buch so spät erscheint, bleibt offen. Aktuell sind seine Befunde des dramatischen Zustands der Meere aber dennoch.
Neuartiger Ansatz
Cousteau sah 1950 ein ungewöhnliches Schiff in einem Hafen auf Malta vor Anker liegen: es war ein Minensuchboot aus den USA und es hatte den Namen "Calypso". Cousteau wusste sofort: Das ist es. Sein Plan war, Wissenschaftern eine Arbeitsbasis zu auf dem Meer zur Verfügung zu stellen, um erstmals lebende Wesen zu studieren, nicht aufgespießte Museumsstücke. Es gelang Cousteau Aufträge zu beschaffen und das Projekt in die Medien zu bringen. 15 Jahre lang sollte es das einzige französische Forschungsschiff sein, und zehn Mal die Erde umrunden.
Cousteau schrieb 1953 ein Buch über seine Abenteuer. "Die schweigende Welt" verkaufte sich fünf Millionen Mal. Ein junger Filmstudent schließt sich seinem Team an: Louis Malle verbrachte vier Jahre mit Cousteau und drehte den Dokumentarfilm zum Buch. "Die schweigende Welt" bekam beim Filmfestival in Cannes 1956 die Goldene Palme und später den Oscar.
Der Grund, warum ich Filme über die Unterwasserwelt gedreht habe, ist einfach der: ich glaube fest daran, dass die Menschen beschützen werden, was sie lieben. Wir lieben aber nur das, was wir kennen. Etwas über Wissenschaft zu erfahren, etwas über Natur zu lernen ist mehr als nur das bloße Recht von Steuerzahlern, mehr als die bloße Verantwortung von Wählern. Es ist das Privileg jedes menschlichen Wesens.
Das rief natürlich Neider auf den Plan. Cousteau, der ein 2.000 Jahre altes griechisches Handelsschiff entdeckt hatte, wurde kritisiert, dass er das Wrack nicht ordnungsgemäß geborgen hatte. Dabei war er es, der überhaupt erst die Unterwasserarchäologie begründet hatte. Der Meeresforscher war Pionier auf vielen Gebieten.
Erfinder des Lungenautomaten
Cousteau träumte davon, wie ein Fisch durchs Wasser zu schweben. Er entwickelte einen Regulator, ein Ventil, das den Taucher nur im Moment des Einatmens mit Luft versorgte, sich aber beim Ausatmen schloss und den Luftdruck automatisch regulierte. Seine junge Frau Simone wurde 1944 mit dem Gerät, das sie "Aqualunge" getauft hatten die erste Taucherin der Welt. Das System ist bis heute unverändert, mittlerweile gibt es Millionen von sogenannten SCUBA-Geräten:
Heute sehe ich, wozu profitgierige SCUBA-Taucher meine Aqualunge benutzen - sie ermöglicht es ihnen, Korallenriffe zu zerschlagen und die Teile als Souveniere zu verkaufen; Unterwasserhöhlen auf der Suche nach dem letzten verbliebenen Fisch zu durchstreifen; alle Lebewesen aus ihren Verstecken zu holen, in die sie sich auf der Flucht vor den Netzen der Fischer gerettet haben. Jetzt, da ich das verstehe, bin ich nicht sicher, dass die guten Dinge, die man mithilfe des Gerätes tun kann, die schlechten aufwiegen. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte - ich weiß nicht, ob ich mich noch einmal an der Erfindung der Aqualunge beteiligen würde.
Auf Jules Vernes Spuren
Cousteau baute das erste manövrierfähige Tiefseetauchboot. "Wenn man etwas braucht, baut man es eben", war sein lapidarer Kommentar. Er brauchte aber noch mehr: die erste, bemannte in der Tiefsee verankerte Unterwasserstation. Er ließ sich 1962 von Jules Vernes zu unterseeischen Siedlungen inspirieren, zu Dörfern im Kontinentalschelf. "Conshelf" verfügte sogar über einen mit Druckluft gefüllten Schlafraum. Es wurde zunächst im Roten Meer, und dann vor der französischen Riviera 100 Meter unter die Wasseroberfläche aufgebaut.
Sechs Ozeanauten, darunter mein Sohn Philippe, lebten drei Wochen lang in dieser großen Tiefe. Sie verließen die Behausung jeden Tag, um sich an der Attrappe einer Bohrinsel in mehr als 120 Metern Tiefe abzuplagen.
Der Umweltaktivist
1992 nahm Cousteau bei Umweltgipfel in Rio teil, er begann einen "heiligen Krieg" wie er es nannte für die Zukunft zu führen.
Der Schellfisch ist aus den Gewässern Kanadas und der Vereinigten Staaten verschwunden, der Hering aus den Gewässern vor Norwegen und Japan. Heilbutt gibt es nicht mehr vor den Küsten Neuenglands und Grönlands. In allen Weltmeeren sind die Bestände an Kabeljau, Seehecht, Sardinen, Sardellen, Makrelen und Gelbflossenthunfischen in so schlechter Verfassung wie noch niemals zuvor. (...) Nach meiner Schätzung waren 30 bis 40 Prozent der Lebewesen aus dem Mittelmeer verschwunden.
Cousteau prangert die Fabrikschiffe, die schwimmende Fischverarbeitungsindustrie an, die die Fische noch an Bord filettieren und einfrieren, und so monatelang auf ihrer Jagd die Ozeane durchpflügen können. Sie plündern die Weltmeere auf der Jagd nach Profit.
Die moderne Fischerei hat die Flüsse ausgeplündert, dann die Buchten, die Golfe, und schließlich die Meere. Von einem Meer ist sie zum nächsten weiter gezogen und hat sich letztendlich in die ausweglose Situation hinein manövriert, in der sie sich heute befindet.
Und jetzt beutet sie die letzten unberührten Bestände der Erde aus: die Fische, die unter der antarktischen Eisdecke schwimmen und der shrimpähnliche Krill. Niemand weiß, meint Cousteau, wie sich der massive Fang auf die empfindliche Nahrungskette im Südpolarmeer auswirken wird, die ganz auf dem Krill beruht. Cousteau sind vor allem die weltweiten Fangpraktiken ein Dorn im Auge, Schleppnetze, die alles fangen einfangen, was sich im Meer bewegt.
Offiziellen Angaben zufolge werfen Fischer jährlich etwa fünf Millionen Tonnen Fisch - mehr als 550 Tonnen pro Stunde - wieder zurück ins Meer, um Platz zu schaffen für die Fänge, die ihnen die höchsten Preise bringen.
Cousteau schlägt ein Rotationsprinzip vor:
Wenn die Fischer ein Jahr lang mit Schleppnetzen in einem Gebiet gefischt haben, sollten sie es mehrere Jahre brachliegen lassen, damit sich die Fauna erholen kann.
Militärische Vergangenheit
Cousteau war aber auch nicht der reine Gutmensch. Cousteau, der im Zweiten Weltkrieg gedient hatte, bekam einen Orden für die Bombardierung von Genua. Und nicht nur das: Als Deutschland Frankreich besetzte, wurde Cousteau von der französischen Marine als Geheimagent eingesetzt. Cousteau wurde später der Orden der Ehrenlegion verliehen, für welche Aktion genau, darüber gab weder er noch der Geheimdienst jemals Auskunft.
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Buch-Tipp
Jacques Cousteau, "Der Mensch, die Orchidee und der Oktopus", Campus Verlag