Politisches Engagement im Netz

Offene Schnittstellen für die Demokratie

Social-Software-Plattformen ermöglichen vielen Menschen ihre Ansichten im Internet zu publizieren und zu kommunizieren. Bis jetzt hatte das auf die Partizipationsmöglichkeiten im komplexen System moderner Demokratien jedoch wenig Einfluss.

Während in den USA kein Wahlkampf ohne ausgefeilte Online-Strategie denkbar wäre, prägen in Europa weitgehend Dokumente im PDF-Format das Internet-Angebot von Staaten, Parlamenten und Parteien. Dabei gäbe es einiges, von den oft launig "Mitmachweb" genannten, interaktiven Angeboten die uns der Web2.0-Booms beschert hat, zu lernen.

Social-Software-Communitys

Die von privaten Betreibern angebotenen praktischen Tools u. Plattformen, sind durchaus mit Vorsicht zu genießen. Zahlreiche Fälle von Zensur, vor allem in Staaten wie Iran oder China, zeigen die Grenzen der Meinungsfreiheit auf Weblog-Plattformen und Videoportalen auf. Und die Benutzer der großen Social-Software-Communitys wie MySpace oder StudiVZ sind der grenzenlosen Datensammelwut der Betreiber ausgeliefert.

Es kann auch niemand garantieren, dass derartige Angebote nicht eines Tages einfach verschwinden, wenn der wirtschaftliche Erfolg ausbleibt, und mit ihnen die gesamten von den Nutzern erstellten Inhalte.

Dennoch kann es durchaus Sinn machen, kommerziell betriebene Plattformen für die demokratische Meinungsäußerung zu verwenden, solange einem die Beschränkungen bewusst sind, die durch Geschäftsbedingungen und Geschäftsstrategien vorgegebenen werden. Alternativen gibt es für die breite Masse ohnehin kaum.

Abgeordnetenwatch.de

Was möglich wäre, führen Initiativen wie Abgeordnetenwatch.de vor. Das Projekt ist aus einer Hamburger Bürgerinitiative für eine Wahlrechtsreform hervorgegangen. Das grundsätzliche Konzept von Abgeordnetenwatch.de ist relativ simpel.

Bürger können sich über ihre Abgeordneten informieren, etwa über deren Verhalten bei Abstimmungen, und ihnen vor allem auf einfache Weise Fragen stellen. Die Fragen wie auch die Antworten der Abgeordneten stehen von jedermann einsehbar im Internet, und so entsteht eine nachlesbare und nachvollziehbare Dokumentation.

Seit Dezember 2006 gibt es Abgeordnetenwatch.de als bundesweite, permanente Plattform. 93 Prozent der Abgeordneten zum deutschen Bundestag beantworten die an sie gerichteten Fragen mittlerweile regelmäßig.

Das Portal ist zu einer wichtigen Informationsquelle für politisch Interessierte geworden, und es wird auch einiges getan, um das umfangreiche Informationsangebot aufzubereiten. Dennoch wird noch relativ viel Vorwissen über die politische Spielregeln benötigt um die Plattform sinnvoll zu nutzen.

mySociety.org

Wie Intelligente Online-Werkzeuge aussehen die der parlamentarischen Demokratie vielleicht wichtige Impulse geben, zeigen auch die Projekte von mySociety.org aus Großbritannien auf.

mySociety bietet eine ganze Reihe von Webseiten an, die verschiedene Ansätze verfolgen. Zwei davon, "WriteToThem" und "TheyWorkForYou“ würden kombiniert ungefähr dem entsprechen, was auch auf Abgeordnetenwatch.de angeboten wird. Im Gegensatz zum Hamburger Projekt sind die Angebote von mySociety ganz bewusst extrem einfach und übersichtlich gestaltet.

Wer auf WriteToThem.com geht, findet nach dem Vorbild von Google eine fast leere Seite mit einem Eingabefeld. Zwei Klicks weiter schreibt man bereits an den Politiker seiner Wahl. Anrede und Grußfloskeln, sind schon automatisch eingetragen, und der Cursor ist natürlich richtig positioniert.

FixMyStreet

Seit Herbst letzten Jahres gibt es mit "FixMyStreet" ein mySociety-Projekt, das die Bürger dazu animieren will, sich in ihrer unmittelbaren Wohnumgebung zu engagieren. Interessierte können die Plattform nutzen, um Probleme in ihrer Nachbarschaft zu melden, die von den verschlankten Britischen Lokalverwaltungen übersehen werden.

Die Bürger berichten über ausgefallene Straßenbeleuchtung, über Schlaglöcher oder verrottende Müllansammlung. Jede Meldung wird automatisch an die zuständige Behörde weitergeleitet, bleibt aber inklusive Status und eventuellen Updates auf "FixMyStreet" einsehbar.

Wer will, kann sich durch so genannte "Local alerts" über alles informieren lassen, was in seiner Nachbarschaft geschieht.

Politisches Interesse wecken

Thomas Steinberg, der Gründer von mySociety hofft, dass sich dadurch wieder mehr Menschen für das politische Geschehen interessieren. Was damit beginnt, dass eine Person über einen Missstand berichtet, könnte dazu führen, dass sich eine Gruppe findet, die zusammenarbeitet um das Problem zu lösen.

Der Schritt, andere Angebote von mySocity zu nutzen, ist dann vielleicht nicht mehr groß, und es gibt ein paar Bürger mehr die "WriteToThem" verwenden, um mit ihrem Abgeordneten in Kontakt zu treten.

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