Der Philosoph als Querdenker - Teil 1
Die Emanzipation der Menschen
Der Philosoph als Querdenker plädiert für eine Umwertung aller Werte. Seit der Antike riefen philosophische Querdenker dazu auf, die bestehenden Verhältnisse zu kritisieren. Unter Philosophie verstanden sie das Projekt der Emanzipation der Menschen.
17. Jänner 2014, 14:42
Radiokolleg, 5. Mai 2008
Die beiden Philosophen Sokrates und Diogenes verstanden sich als philosophische Provokateure. Sie gingen auf den Marktplatz von Athen, um dort direkt mit den Menschen zu sprechen. Sie nahmen sich dabei kein Blatt vor den Mund und kritisierten die Lebensweise der Bürger, die meist einem vorgegebenen Muster folgte.
Sokrates - Der Philosoph als Jugendverführer
Besonders Sokrates wurde nicht müde, seine Mitbürger darauf aufmerksam zu machen, dass es ein Leben außerhalb der gesellschaftlichen Konventionen gibt. Damit wurde er zu einem erheblichen Störfaktor der herrschenden Gesellschaftsschicht von Athen.
Seine ständige Kritik der bestehenden Verhältnisse führte zu einer Anklage vor Gericht. Man beschuldigte ihn, die Jugend durch seine subversiven Reden zu verderben und die Götter zu verleugnen. 399 vor Christus fand der Prozess gegen den Querdenker Sokrates statt, der mit einem Todesurteil endete.
Diogenes - der Philosoph als bissiger Hund
Diogenes, der von 400 bis 325 vor Christus lebte, gilt als zentrale Gestalt des sogenannten Kynismus. Diese Bezeichnung bezieht sich auf das griechische Wort "kyon" und bedeutet "Hund". Gemeint ist damit die Lebensweise von Diogenes und seiner Schüler, die das natürliche, animalische Leben zum Vorbild nahmen.
Die herausragende kynische Tugend ist die Bedürfnislosigkeit, wie sie in der Natur anzutreffen ist. Was natürlich sei, könne nicht schlecht sein, so lautete die Argumentation von Diogenes, dafür brauche man sich nicht zu schämen; Bedürfnislosigkeit sichere die persönliche Unabhängigkeit.
Das Anliegen von Diogenes war das Ausleben der natürlichen Bedürfnisse. Er wandte sich gegen die herrschenden sittlichen Konventionen, die den Menschen zu bloßen Charaktermasken degradieren. Bewusst inszenierte Diogenes sein Leben als Außenseiter der Gesellschaft, der sich sämtlichen Konventionen widersetzte.
Als rhetorisches Mittel für seinen Protest gegen die Gesellschaft diente Diogenes die Parrhesie, die freimütige Rede. Auf die Frage, was unter Menschen das Schönste sei, antwortete Diogenes: "Das freie Wort". Mit dem Mittel der Parrhesie machte sich der Kyniker über die Mächtigen der Zeit lustig. Zu Alexander dem Großen soll Diogenes gesagt haben: "Geh mir aus der Sonne". Wenig Ehrfurcht brachte er auch den etablierten Philosophen entgegen, denen er Eitelkeit und Autoritätsgläubigkeit vorwarf.
Plethon - der Gegner des Monotheismus
Rund 1.800 Jahre später stellte sich der Philosoph Georgios Gemistos Plethon, der von 1355 bis 1452 lebte, gegen die herrschenden religiösen Konventionen seiner Zeit. Er verwarf jeglichen Monotheismus und verstand das Göttliche als Polytheismus.
Im Gegensatz zur griechischen Religion bekämpften sich nicht die Götter, sondern lebten in Harmonie miteinander. Dem christlichen und islamischen Monotheismus wurde somit die Existenzberechtigung abgesprochen. In Zeiten eines wachsenden religiösen Fundamentalismus ist Plethons Konzeption einer pluralen Götterwelt von besonderer Aktualität.