Zurück zu den Wurzeln

Fiat und Zastava, die Zweite

Der Wahlsieg der prowestlichen Demokratischen Partei bei der serbischen Parlamentswahl kam nicht völlig überraschend. Neben einem Assoziierungsabkommen mit der EU, hat vermutlich auch die Übernahme des Autobauers Zastava durch Fiat für gute Stimmung gesorgt.

Bereits Ende April wurde beschlossen, dass der italienische Fahrzeughersteller Fiat Mehrheitseigentümer des serbischen Autoproduzenten Zastava wird. Das entsprechende Memorandum über die Übernahme von 70 Prozent von Zastava haben Fiat-Vizepräsident Alfredo Altavilla und der serbische Wirtschaftsminister Mladjan Dinkic vor zwei Wochen in Belgrad unterzeichnet.

Der Wert der künftigen Fiat-Investition wurde mit 700 Millionen Euro angegeben. Der serbische Staat behält die restlichen 30 Prozent der Aktien der neuen gemeinsamen Gesellschaft. Fiat will in der Fabrik im zentralserbischen Kragujevac ab Ende 2009 ein völlig neues Modell der Klasse A bauen lassen. Geplant ist auch die Produktion von 200.000 Autos jährlich. Ab 2010 soll dort auch ein neues Mittelklasseauto gebaut werden.

Erst letzte Woche wurde in Kragujevac, wo sich der Automobilbetrieb befindet, ein Memorandum mit den Italienern unterzeichnet, das Fiat von der Bezahlung von Kommunalgebühren in den nächsten zehn Jahren befreien wird. Kragujevac soll gleichzeitig den Status einer Zollfreizone für den Autoexport erhalten. Die serbische Regierung will damit die Stadt in ein Zentrum der Automobilindustrie am Westbalkan verwandeln. Nach Angaben von Wirtschaftsminister Mladjan Dinkic dürfte der neue Status auch für die deutsche VW-Gruppe von Interesse sein. Diese will in Kragujevac einen eigenen Betrieb errichten.

Die Geschichte kleiner Völker

Die letzten Parlamentswahlen in Serbien wurden von den internationalen Medien mit beachtlicher Aufmerksamkeit verfolgt. Man wollte glauben, dass sich die Serben bei der Wahl zwischen einer pro-europäischen und einer anti-europäischen Option für erstere entschieden hätten.

Der englische Historiker Arnold Toynbee schrieb in seinem großen Werk "A Study of History", dass die kleineren Völker - und in seinem Werk hat er die Serben als ein solches Volk namentlich erwähnt - keine isolierte Geschichte haben. Die Geschichte eines kleineren Volkes ist immer mit den Geschichten der großen Mächte verbunden und von denen abhängig. Es gibt für kleinere Völker also wenig selbst zu bestimmen.

Im Grunde genommen gibt es für Serbien keine nicht-europäische Option. Es geht nur um die Frage, mit welchen Kompromissen diese verbunden ist. Die serbischen Politiker sind sich in den Fragen des "nationalen Interesses", und dazu gehören die Frage des Kosovo oder die Kooperation mit Den Haag, um nur einige zu nennen, fast einig. Die Unterschiede liegen nur im Grad ihrer offiziellen, mehr oder weniger kämpferischen Aussagen.

Die wirtschaftliche Lage des Landes, und aie ist als alles andere als als rosig zu bezeichnen, hat Serbien in Richtung Europa gezwungen. Bewusst oder unbewusst, wissen alle, dass eine europäische Integration existenzielle Bedeutung für Serbien hat.

Zastava…

Am Beispiel des ehemaligen, nationalen Industriegiganten Zastava (Zu Deutsch: Fahne) sieht man den Einfluss der Politik auf die Wirtschaft am klarsten. Der Hauptsitz von Zastava in Zentralserbien befindet sich in der Stadt Kragujevac. Aus einer Waffenfabrik des 19. Jahrhunderts entwickelte sie nach dem Zweiten Weltkrieg als zweite Sparte die Autoproduktion. In den zentralistisch regierten und geschützten wirtschaftlichen Verhältnissen des sozialistischen Systems war Zastava die größte Autofabrik auf dem Balkan.

… und Fiat

Es heißt, dass Tito persönlich Fiat in eine Kooperation mit Zastava einwilligte. In dieser Zusammenarbeit produzierte man zuerst in Kragujevac den Fiat 600 und danach folgten andere Modelle der italienischen Automarke. Aus einer gemeinsamen Konstruktion stammt auch das Kultauto JUGO, das von einigen amerikanischen Fachzeitschriften zum "schlechtesten Auto der Autogeschichte" gekürt wurde.

Mag sein, dass diese Auszeichnung etwas übertrieben war, aber Kragujevac und die Region profitierten von dem Fortbewegungsmittel und Statussymbol vieler Jugoslawen. Die Stadt gehörte zu den reichsten des Landes und blieb es bis zum Zerfall Jugoslawiens in den 1990er Jahren.

Mit dem Ende Jugoslawiens waren die notwendigen Zulieferungen aus den ehemaligen Republiken, die nun unabhängig geworden waren, zum Erliegen gekommen. Das wirtschaftliche und politische Embargo isolierten das Land und alles endete mit der NATO-Bombardierung, 1999, als die Zastava-Fabrik zerstört wurde.

Heute ist Kragujevac eine Stadt, die um ihr Überleben kämpft. Man produziert in den restlichen Fabrikhallen, die ursprünglich für die Produktion von mehr als 200.000 Autos vorgesehen war, ein paar Tausend Wagen, die, ihrer veralteten Technologien wegen, nicht in den Westen, sondern nur in einige afrikanische oder asiatische Länder exportiert werden können. Trotz des niedrigen Preises, nach Angaben der serbischen Medien ist der Zastava mit einem Aktionspreis von 4.250 Euro das zweitbilligste Auto der Welt nach dem indischen TATA. Es ist dennoch sehr schwer, Käufer in Serbien zu finden. In dieser Preislage kann man schon einen guten westlichen Gebrauchtwagen kaufen.

Die Partner

Man versuchte ständig, neue westliche Koproduktionspartner zu finden, doch alle Verhandlungen mit renommierten Autoherstellern, wie zum Beispiel Toyota, Peugeot, Volkswagen und anderen kamen aus verschiedenen Gründen nicht zu einem Abschluss.

Gerade vor den Wahlen waren in den serbischen Medien Berichte zu finden, die über einen neuen Deal mit FIAT informierten. Von einer strategischen Partnerschaft von Fiat und Zastava war zu lesen. Wie sich diese Partnerschaft weiter entwickeln könnte, würde nach den Parlamentswahlen bekanntgegeben. Die Bürger hatten die Wahl, mit ihrer Entscheidung für einen "europäischen Weg" scheinen auch die Zeichen für Zastava auf Aufschwung zu stehen.

Einige serbische Kommentatoren wie etwa Aleksandar Vulin, Redakteur der Zeitung "Politika", konnten ihren bitteren Beigeschmack allerdings nicht verbergen. Zastava sei ausgerechnet an ein Land übergeben worden, von dem aus, nämlich von der Luftwaffenbasis in Aviano in Norditalien, die NATO-Flugzeuge 1999 ihre Bombardierungen von Serbien geflogen seien. Kommentatoren wie Vulin sind sich jedoch bewusst, dass die Zukunft der Menschen, nicht nur in Kragujevac, trotz großer Enttäuschungen, in eine gemeinsame europäische Richtung führt.

Mehr zu Serbien in oe1.ORF.at und zum Yugo 45 in oe1.ORF.at

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