Ordination streng getrennt nach Geschlecht
Bernhard Ludwig exklusiv für Frauen
Sexuelle Unlust ist trainierbar, sagt Bernhard Ludwig. In seinem Seminarkabarett spricht er über die Qual der Partnerwahl. Was Frauen und Männer wollen, das fördert Bernhard Ludwig auch in geschlechtsspezifisch getrennten Abenden zu Tage.
8. April 2017, 21:58
Männer und Frauen brauchen etwas anderes.
"Sexuelle Unzufriedenheit = Erwartetes durch Erreichtes". Diese Formel hat der Psychotherapeut und Erfinder des Seminarkabaretts Bernhard Ludwig schon vor Jahren aufgestellt. Man setze also seine Erwartungen nicht all zu hoch an, dann läuft man auch nicht Gefahr, enttäuscht zu werden.
Streng genommen dürften diesen Artikel nur Frauen lesen, denn Bernhard Ludwig, der provokante Prophylaktiker in Sachen Herzinfarkt, Diätwahnsinn und Sexfrust, spielt seinen Klassiker "Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit" nur entweder für Frauen oder für Männer, also streng geschlechtergetrennt.
Und so versammelt sich im Kabarett eine Schar ausschließlich weiblicher Versuchspersonen, um einem ganz und gar nicht jugendfreien Programm zu lauschen. Da Damen anscheinend nicht nur gerne zu zweit auf die Toilette, sondern auch lieber gemeinsam ins Theater gehen, ist der Kicher- und Schnatter-Pegel üblicherweise schon vor Vorstellungsbeginn ungewöhnlich hoch.
Der Hofnarr
Auf der Bühne dann der einzige Mann weit und breit, Bernhard Ludwig, mit seinen Requisiten: einer Vagina aus rosa Plüsch und Seide und einer Flipchart. Auf die zeichnet der Herr Professor Pyramiden und Tortendiagramme und veranschaulicht vor allem den Singles im Publikum das Dilemma der Partnerwahl.
Den Professorentitel hat Bernhard Ludwig übrigens nicht für sein künstlerisches Schaffen, sondern für sein Wirken im Dienste der Volksbildung verliehen bekommen. "Ich hab schon eine Mission", ist er überzeugt. "Früher gab es den Hofnarren, der die Wahrheit sagen durfte, später taten das dann die Kabarettisten und die Therapeuten. Ich hab diese beiden Funktionen des Hofnarren wieder vereint."
Partnersuche mit Management-Methoden
Bei der Partnerwahl sollte man - laut Bernhard Ludwig - beinharte Management-Methoden einsetzen, um das Produkt, also sich selber, gut zu verkaufen. Suche per Internet, regelmäßige Besprechungen mit einem Beziehungscoach, Inserate schalten. Und wie lautet das Zauberwort, das besonders viele Interessenten anlockt? Bernhard Ludwig lässt die anwesenden Damen raten, was Männer wollen. Soll die Frau ihrer Träume treu sein? Humorvoll? Selbstständig? Oder gar mütterlich? Möglicherweise. Aber vor allem sollte sie gebunden sein - oder zumindest behaupten, es zu sein. Denn die Bindungsangst ist auch unter den freien Männern ein weit verbreitetes Leiden. So viel zu den erlaubten Tricks der Frauen.
Wir schreiten zur Tat
Welche Ezzes gibt Bernhard Ludwig in den Vorstellungen, die er "nur für Männer" spielt? Also wie reißt Mann eine Frau auf? " Vier Möglichkeiten: Er ist prominent, schwul, Pfarrer oder er demütigt das Objekt seiner Begierde. Wenn sie gedemütigt werden, springen Frauen sogar bei einem Volltrottel an."
Gesetzt den Fall, Mann und Frau sind also erfolgreich angesprungen und schreiten zur Tat. Jetzt kommt Bernhard Ludwigs aktuelle Lieblingslektüre ins Spiel, der Skandalbestseller "Feuchtgebiete" der englisch-deutschen Fernsehmoderatorin und Autorin Charlotte Roche. Ein höchst provokantes Plädoyer gegen den grassierenden Körperoptimierungs- und Hygienewahn, ein Buch über alle nur erdenklichen Körpersäfte, über Stuhlgang und unrasierte Frauenbeine, ein Roman, in dem die Ekelgrenze ganz bewusst überschritten wird. Aber schließlich, erklärt Bernhard Ludwig, bestehe der menschliche Körper zu 10 Prozent aus Bakterien. "Und die meisten davon haben wir nicht unten sondern oben, im Mund. Charlotte Roche sagt, eine Frau soll möglichst viele Männer küssen, damit sie geimpft ist gegen möglichst viele Bakterienstämme." Was man im Kabarett so alles fürs Leben lernen kann...
Intime Fragen über Fragen
Bernhard Ludwig verlangt von seiner weiblichen Zuhörerschaft aber auch aktive Mitarbeit. Freundinnen werden auseinandergesetzt, damit sie nicht tratschen können, vor allem aber, damit Bernhard Ludwig bei seinen Umfragen möglichst unverfälschte Ergebnisse erzielt. Abgestimmt wird - mit der von ihm schon vor Jahren entwickelten Methode - im Dunklen, also anonym, und per Summton.
Summen bedeutet zustimmen zum Beispiel zu so intimen Fragen wie: Würden Sie ihren Partner in eine Liebesschule schicken? Würden Sie selber ein Blow-Job-Seminar besuchen? Wie hoch ist die Kuckucks-Quote in Österreich? Also wie viele Kinder wurden nicht vom eigenen Vater gezeugt? Antwort: rund zehn Prozent. Oder: Wer will wann, wo und wie oft? Stimmen die Bedürfnisse eines Paares nicht überein, rät Ludwig zur Verhandlungstaktik. Zum Beispiel "zwei Quickys gegen einmal Wein und Kerzen".
Der Erfinder und seine Nachahmer
Bernhard Ludwig hat mit seinem Edutainment, seiner unterhaltsamen Sexualtherapie in Großgruppen einen ganz eigenen Stil kreiert, der mittlerweile auch etliche Nachahmer gefunden hat. Etwa Weinzettl & Rudle mit ihren Programmen "Paaranoia" und "Wir müssen reden", Peter & Teutscher, die ebenfalls eine Mischform von Kabarett und wissenschaftlichen, in ihrem Fall medizinischen Erkenntnissen kredenzen, oder I Stangl mit seinem "Frauenflüsterer". I Stangl gehört aber auch zu jenem erlauchten Kreis von Interpreten, denen Bernhard Ludwig höchstpersönlich die Lizenz erteilt hat, seine "Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit" nachzuspielen.
Auch einen auf dem Programm basierenden Comicband gibt es mittlerweile - wahlweise in deutscher und englischer Sprache ("A guide to sexual misery"). Dessen Lektüre empfiehlt Bernhard Ludwig seinen Klienten, also den Besuchern, gerne als Hausübung. Wenn man die Passagen, die der Partner lesen sollte mit einem Buntstift markiert und die, die man selber für wichtig erachtet, mit einer anderen Farbe anstreicht, dann ergebe sich daraus bereits eine gute Diskussionsgrundlage, die - so verspricht Ludwig - manchem Paar den Besuch beim Sexualtherapeuten erspart.
Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 12. Juli 2009, 22:05 Uhr
Links
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