Kritik für Gastspiele in Nazi-Deutschland

Der Dirigent Vaclav Talich

Vor 125 Jahren wurde Vaclav Talich in Mähren geboren. Unter allen großen tschechischen Dirigenten gilt er zweifellos als der bedeutendste im 20. Jahrhundert. Karel Ancerl, Vaclav Kaslik und Charles Mackerras waren seine Schüler.

"Mein ganzes Leben als Künstler habe ich mich nur um eines bemüht: zu dienen und wieder zu dienen. Wenn mich böse Zungen mit dem Ausdruck Virtuose bedachten, ließen sie sich wahrscheinlich von der scheinbaren Leichtigkeit verführen, ohne sich bewusst zu sein, dass diese durch ungewöhnlichen Fleiß, erschöpfende Aufmerksamkeit für jedes Detail der Zeichnung, und harte Unnachgiebigkeit beim Durchsetzen der erkannten Wahrheit erkauft ist. Die Virtuosität ist an sich nicht der Zweck, sondern das gesetzmäßige Überwinden der Stofflichkeit der musikalischen Mittel, ohne das man nicht zum Geist des Werkes vordringen kann. Nein, ich bin kein Virtuose, ich bin ein ehrlicher Arbeiter und ein tschechischer Künstler", so das Bekenntnis des Dirigenten Vaclav Talich.

Sohn einer Musikerfamilie

Talich wurde am 28. Mai 1883 - vor 125 Jahren - in Mähren inmitten einer Musikerfamilie geboren. Der Vater war Musiklehrer, sein Bruder Cellist, und auch er selbst hat zunächst als Geiger begonnen, ehe er durch Vermittlung von Antonin Dvorak ein Stipendium für das Prager Konservatorium erhielt.

1903 engagierte ihn Arthur Nikisch als Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, er wurde Assistent von Nikisch und stand bald auch selbst schon am Pult. Außerdem studierte Talich Komposition bei Max Reger und holte sich weitere Anregungen im Laufe einer Studienreise nach Italien.

Schicksal Tschechische Philharmonie

1918 wurde Talich zum Chefdirigenten der Tschechischen Philharmonie berufen und machte diesen Klangkörper innerhalb weniger Jahre zu einem der renommiertesten in ganz Europa. Seine Tätigkeit in den Kriegsjahren und damit verbundene Gastspiele in Deutschland brachten ihn nach Kriegsende allerdings in ein schiefes Licht, auch wenn er immer wieder jede Kollaboration geleugnet hat. Schlussendlich hat sich seine lautere Haltung zu seiner Heimat erwiesen, er wurde vollständig rehabilitiert, dennoch konnte ihm niemand die verlorene Zeit zurückgeben, in der er entweder gar nicht oder nur mit Einschränkungen auftreten durfte.

Immerhin aber sind in diesen bewegten Nachkriegsjahren sehr viele Platten- und Rundfunkaufnahmen entstanden, die bis heute Zeugnis ablegen von seiner großen Meisterschaft. Eine eigene Talich-CD-Edition ist in jüngster Zeit von Supraphon aufgelegt worden, die einen Großteil seines künstlerischen Nachlasses nun in kompakter Form dem Publikum von heute präsentiert. Viele seiner Interpretationen - insbesondere des nationalen Repertoires - können da nach wie vor als Referenzeinspielungen gelten.

Talich und die Oper

Ein Kapitel im Wirken von Vaclav Talich bleibt jedoch bis heute ziemlich unterbelichtet, nämlich das seiner Tätigkeit als Opernchef. Erste Erfahrungen auf diesem Gebiet hat er schon sehr früh gesammelt, in Laibach und Pilsen, ehe er dann ab den frühen Dreißigerjahren auch die Gesamtverantwortung für das Prager Nationaltheater übernommen hat. Viele junge Talente hat er damals entdeckt und gefördert und sich den legendären Bass-Bariton Friedrich Plaschke dafür zur Unterstützung geholt.

Plaschke stammte zwar aus Böhmen, war aber jahrzehntelang ein gefeiertes Ensemblemitglied der Dresdener Oper gewesen, verheiratet mit Eva von der Osten (dem ersten Rosenkavalier), und kam schließlich nach dem Tod seiner Frau (1936) und dem Ende seiner Gesangskarriere auf Einladung von Talich nach Prag, um dort junge Sänger zu betreuen und Talich diesbezüglich zu beraten. Leider haben sich nahezu keinerlei Tondokumente aus den so fruchtbaren Talich-Jahren am Prager Nationaltheater erhalten, und so lassen lediglich eine Handvoll von Einzelaufnahmen den hohen Rang des Operndirigenten Talich erahnen.

Krankheit und Tod
Mitte der 1950er Jahre musste Vaclav Talich seine Dirigentenkarriere krankheitsbedingt aufgeben, am 16. März 1961 ist er in Beroun in der Nähe von Prag gestorben. Unter allen großen tschechischen Dirigenten gilt er zweifellos als der bedeutendste im gesamten 20. Jahrhundert. Als seine wichtigsten Schüler wären Karel Ancerl, Vaclav Kaslik und der bis heute aktive australische Dirigent Charles Mackerras zu nennen.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Dienstag, 20. Mai 2008, 15:06 Uhr

Link
Supraphon - Vaclav Talich