Die entworfene Welt - Teil 3
Design und Dialog
Architekten müssen im Grunde genommen sehr viel Verantwortung übernehmen, schließlich kann man ihren Produkten nur schlecht aus dem Weg gehen. Es ist daher notwendig, die Bevölkerung von Anfang an in Stadt- und Wohnprojekte einzubinden.
8. April 2017, 21:58
Es gibt verschiedenste Rezepturen für Design. Das schönste Design ist für manche die Reproduktion, für andere ein gutes Essen. Der englische Architekt Will Alsop, der auch an der technischen Universität in Wien unterrichtet, schwört auf die Vielfalt. Aber dafür, so Alsop, müssten sich seine Kollegen erst von der Idee verabschieden, dass sie so etwas wie Stil beweisen müssten. Aus Stil werde Theorie, und diese Theorien würden alle nicht funktionieren, gibt sich der Engländer überzeugt.
Aber es gibt für ihn auch Hoffnung. Bezüglich seiner jüngeren Kollegen zeigt sich Will Alsop optimistisch. Als er vor ein paar Jahren den Auftrag zugesprochen bekam, einen Stadtteil von Manchester für 15.000 Personen neu zu gestalten, habe er mit jungen Architekten zusammengearbeitet und das Endergebnis, so Alsop, sei dadurch wesentlich besser ausgefallen.
Korrekturen am Design
Architekten müssen im Grunde genommen weit mehr Verantwortung übernehmen, als Gestalter aus anderen Disziplinen, schließlich kann man ihren Produkten nur schlecht aus dem Weg gehen. "Aber man kann seine Brille abnehmen", empfiehlt der in Wien lebende Grafikdesigner Dieter Telfser. Das sei sein bester Rat.
Während man Produkte in die Hand nehmen und damit leicht wieder weglegen kann, verändern Architekten nicht nur den Verlauf von Straßen, sondern auch die Geschichte einer Stadt, kommentierte vor ein paar Jahren der spanische Schriftsteller Manuel Vázques Montalbán die städtebaulichen Veränderungen in seiner Heimatstadt Barcelona. Nicht nur dort bleibt so mancher neu gestaltete Platz jahrelang verwaist. Anscheinend dauert es seine Zeit, bis die Bevölkerung einen derartigen Einschnitt akzeptiert hat.
Manchmal, so sagt man, können Jahre vergehen, bis ein Platz von den Einwohnern wieder zurückerobert wird. Das weiß auch Will Alsop: "Ich bin mir dessen sehr wohl bewusst, aber ich hoffe, dieser Prozess der Rückeroberung lässt sich verkürzen, indem die Bevölkerung von Anfang an mit einbezogen wird." Aus diesem Grund veranstaltet er auf seinen Baustellen Festivals; mit Rockkonzert, Feuerwerk und allem, was dazu gehört. Das funktioniere zumindest im Westen. Im Osten hingegen fragt keiner die Bevölkerung. Da wird schlicht und ergreifend nur gebaut.
Demokratisches Design
Auch in den USA, so Roberta Feldman, können Randgruppen oft wenig auf das Design Einfluss ausüben. Roberta Feldman setzt sich für jene Menschen ein, die sich weder einen Architekten leisten können, noch die Mietpreise in Chicago. Sie leitete derzeit das City Design Center an der University of Illinois, Chicago.
Seitdem seit rund 15 Jahren der Sozialbau in den USA als misslungenes Experiment dargestellt wird und Wohnhäuser niedergerissen werden, stieg die Anzahl der Obdachlosen stetig an. Das neue Design-Konzept für die Städte lautet heute in den USA: gemischte Wohnviertel. Die Krankenschwester lebt neben dem Arbeitslosen und auf den Dächern entstehen ein paar Penthaus-Wohnungen für die Reicheren.
Das, so Roberta Feldman, könne nur dann funktionieren, wenn auch allen Betroffenen ein Mitspracherecht an der Gestaltung eingeräumt wird. Die Aufgabe eines Gestalters, so Roberta Feldman, sei es daher, allen Gehör zu verschaffen und dafür zu sorgen, dass jeder - ohne Ausnahme - die bestmöglich designte Wohnung erhält, die er sich mit seinem Geld leisten kann. Diesen Ansatz nennt sie "demokratisches Design".
Roberta Feldman: "Jeder Mensch hat das Recht auf das bestmöglichste Design, aber die Realität schaut leider anders aus. Unsere besten Designer werden von denjenigen Bauträgern vereinnahmt, die es sich leisten können, die höchsten Gagen zu zahlen. Ich möchte damit nicht sagen, dass jeder, der berühmt ist, auch gleich der beste Designer ist, aber im Großen und Ganzen ist es eben so, dass sich arme Menschen keine guten Designer leisten können. Von ihnen wird vielmehr erwartet, dass sie sich dankbar zeigen, wenn sie einen Platz zugewiesen bekommen: Sie haben eine Behausung mit Bad, fließendem Wasser, einer Küche, worüber beklagen Sie sich noch? Sie sollten sich damit zufrieden geben, denn schließlich bezahlt das der Staat. Sie bekommen eine Beihilfe, Sie sollten glücklich sein."
Den Bedürfnissen entsprechen
Roberta Feldman versucht seit Jahren, die Bevölkerung und auch die Bauträger davon zu überzeugen, dass derartiges Verhalten allen Beteiligten wenig nützt. Weder entsprechen die Sozialbauten den Bedürfnissen der Armen, noch sorgen billige und geschmacklose Plattenbauten dafür, dass aus einem Bezirk eine Gemeinschaft entstehen kann. Vielmehr schreckt ein derartiges Design die Menschen davon ab, sich dort anzusiedeln. Dabei, und das hat Roberta Feldman mittlerweile anhand von einigen Projekten in Chicago bewiesen, braucht es nicht viel, um aus lieblos hingestellten Schlafstätten einen lebenswerten Ort werden zu lassen. Sie sind oft billiger, halten länger und können dabei helfen, soziale Probleme zu unterbinden.
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Mit Design leben und überleben
Interaction Design
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 19. Mai, bis Mittwoch, 21. Mai 2008, 9:05 Uhr
Links
NHI - Liveable and Affordable
Alsop Architects
Dieter Telfser