Von Punk und New Wave zur Elektronik

Herbie Molin

Herbert "Herbie" Molin hat an gleich mehreren musikalischen Aufbrüchen in Wien tatkräftig mitgewirkt, unter anderem hat er die Blue Box mitbegründet und die Punk- und New-Wave-Bewegung, sowie die experimentelle Elektronik-Szene mitgestaltet.

In den späten 1970er und frühen 1980er Jahren erreichten Punk und New Wave Österreich und damit begann es in Wien, endlich spannend zu werden, so Herbie Molin, der am damaligen Aufbau der heimischen Musikszene tatkräftig mitwirkte, zuerst als Plattenladen-Besitzer und dann als Lokal-Besitzer. Gemeinsam mit einem Freund sperrte Herbie Molin 1979 den Plattenladen "Ton um Ton" auf, der neben Second-Hand-Platten bald auch nagelneue Platten von unter anderem den frisch gegründeten Labels Rough Trade, Zick Zack und Mute zum Kauf anbot.

Den Plattenladen hatten sie aus finanziellen Gründen wenig später aber wieder verkauft. Stattdessen sperrte Molin 1983 gemeinsam mit drei weiteren Freundinnen und Freunden das Lokal Blue Box auf, nur wenige Gassen von "Ton um Ton" entfernt.

Kunstvolles Innendesign

Die Blue Box machte sich nicht zuletzt wegen ihres ausgefallenen Innendesigns schnell einen Namen. Die Betreiber des Lokals Ring in der Nähe des MAK hätten damals alle paar Monate einen anderen Künstler eingeladen, die Wände ihres Lokals neu zu bemalen und das hätten sie noch toppen wollen, erzählt Herbie Molin. In der Blue Box wurden deshalb nicht nur die Wände, sondern gleich das gesamte Innendesign alle paar Monate neu gestaltet, und dabei scheute man weder Kosten noch Mühen. Sogar eine Autobustüre wurde einmal eingebaut.

Kreative Brutstätte

Ihr engagiertes Innendesign-Konzept mussten die Betreiberinnen und Betreiber der Blue Box aufgrund der viel zu hohen Kosten dann doch adaptieren, eine kreative Brutstätte blieb das Lokal aber. Der Blue-Box-Koch und -Kellner Thomas Seidl aka Tomtschek etwa gründete dort den Club H.A.P.P.Y und Pita Rehberg lud Mittwoch abends zum Club Duchamp, in Wien die erste Möglichkeit, in einem Lokal experimentelle elektronische Musik zu hören, durchwegs Noise-gewaltige elektronische Musik, wie Herbie Molin unterstreicht.

Musikalischer Paradigmenwechsel

Auf die allerorts plötzlich aufkeimende neue elektronische Musik hätten ihn vor allem seine in der Regel jüngeren Kellnerinnen und Kellner aufmerksam gemacht, erzählt Herbie Molin, auf den musikalischen Paradigmenwechsel Mitte der 1990er Jahre angesprochen. Und so richtig gefunkt hätte es dann bei der ersten Ausgabe des phono.Taktik-Festivals 1995, da entdeckte Molin das weite Reich der so genannten "listening electronic", also den Bereich jener elektronischen Musik, die nicht in erster Linie auf den Dancefloor abzielt, wie das etwa bei Techno oder House der Fall ist.

Und abermals wirkte Herbie Molin am Aufbau der heimischen Musikszene tatkräftig mit. Gemeinsam mit Peter Rantasa und Christoph Kurzmann eröffnete er 1998 das Lokal rhiz in einem Gürtelbogen gleich neben der U6-Station Josefstädterstraße. Damit gab es in Wien einen Ort, an dem auch außerhalb des Festivalbetriebs Konzerte experimenteller elektronischer Musik stattfinden konnten.

Fruchtbare Symbiose

Bereits kurz nach der Gründung des rhiz, erzählt Herbie Molin, hätte sich abgezeichnet, dass der Begriff "elektronische Musik" als Genrebezeichnung zu eng gefasst sei und eben in der symbiotischen Beziehung von elektronischer und akustischer Musik sieht Molin derzeit auch die spannendste musikalische Entwicklung. Die Vermutung, dass das Publikum generell in den letzten Jahren experimenteller Musik gegenüber offener geworden sei, weist Molin aber zurück.

Herbie Molin: "Da bin ich extrem skeptisch, muss ich sagen, denn was ist nach der großen elektronischen Revolution gekommen? Es kehrte der Indiepop und -rock zurück. Diese Musik ist die momentan am stärksten vertretene. Wenn man sich die Lokallandschaft in Wien ansieht, so muss man sagen, es gibt wesentlich mehr Lokale, die eben auf diesen Zug aufgesprungen sind, als solche, die sich um irgendwelche Nischen sorgen. So offen wie die Hörgewohnheiten Ende der 1990er Jahre waren, werden sie so schnell nicht mehr sein, sag ich einmal."

Mehr zum rhiz in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Zeit-Ton Zeit-Reise, Mittwoch, 21. Mai 2008, 23:05 Uhr

CD-Tipp
Verschiedene Interpreten, "the risk of burns exist", rhiz

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