Eine Branche im Wandel

Jobmotor Leiharbeit

Die Leiharbeit hat sich in Österreich in den letzten zehn Jahren vervierfacht. Immer mehr Betriebe decken in Spitzenproduktionszeiten ihren Personalbedarf mit flexiblen Leiharbetskräften ab. Sind diese dadurch Arbeitnehmer/innen zweiter Klasse?

Trenkwalder-Geschäftsführer Panholzer zur Leiharbeit

Früher war der klassische Leiharbeiter fast ausschließlich männlich und Hilfsarbeiter in der Industrie. Heute gibt es immer mehr Facharbeiter, HAK, HTL- und Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen, die ihre Berufslaufbahn in Leiharbeitsfirmen beginnen.

Die Einsatzfelder für Leiharbeit sind längst nicht mehr die klassischen Branchen Industrie und Baugewerbe, sonst auch im kaufmännischen Bereich, erklärt Hans Peter Panholzer, Geschäftsführer von Trenkwalder, dem größten Leiharbeitsvermittler in Österreich. Etwa 15 Prozent seien im Angestelltenbereich, ein Trend der immer stärker werde.

Selbst Topmanager kann man leihen

Diesen Trend bestätigt auch Peter Zulehner, Personalverantwortlicher für Magna in Europa. Magna hat in Österreich eine Stammbelegschaft von 12.000 Personen, zusätzlich beschäftigt Magna je nach Auftragslage 1.500 bis 2.000 Leiharbeiter. Leiharbeit sei ein voll etablierter Wirtschaftszweig, sagt Zulehner. Heute könne man sogar Topmanager leihen.

100.000 Leiharbeitskräfte
Leiharbeiter sind formal bei einem Personalvermittler beschäftigt. Diese verleihen sie dann an ein Unternehmen.

Von der Personalleasing-Firma, wie die Leiharbeitsvermittler auch heißen, bekommen sie ihren Lohn. Das Unternehmen bezahlt einen Pauschalbetrag an die Leiharbeitsfirma.

Während in vielen europäischen Ländern Leiharbeit wenig reglementiert ist und oft dazu verwendet wird, niedrigere Löhne als üblich zu bezahlen, gelten in Österreich für Leiharbeit vergleichsweise relativ strenge Gesetze, erklärt Christoph Klein, Sozialexperte der Arbeiterkammer. Die Leiharbeiter werden nach dem in der Branche üblichen Kollektivvertrag bezahlt.

Die Anzahl der Personalvermittlungsfirmen in Österreich hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht, ebenso die Zahl der Firmen, die Leiharbeiter anstellen. Vor zehn Jahren haben alle Leiharbeitsvermittler gemeinsam nicht einmal 15.000 Österreicherinnen und Österreicher beschäftigt. Heute seien es schon bald 100.000, sagt Panholzer.

Unterstützung in Spitzenzeiten
Ein wichtiger Grund für den Boom bei der Leiharbeit ist der internationale Konkurrenzkampf, sagt Panholzer. Firmen müssten ihre Kosten an die Auslastung anpassen, sie bräuchten mehr Personal in der Hochsaison, wenn die Aufträge weniger werden, müssen sie Personal abbauen.

Spitzen in der Produktion abdecken zu können, ist auch der Hauptgrund für den Linzer Automatisierungsbetrieb KEBA, Leiharbeiter einzusetzen. KEBA stellt Industrielaptops, Lottocomputer für Trafiken und Geldautomaten für Bankfoyers her. Von den 700 Keba-Mitarbeitern arbeiten 200 in der Produktion, dazu kommen in Spitzenzeiten bis zu 40 Leiharbeitakräfte. KEBA-Personalchef Mario Schmid lobt das Wissen der Leiharbeiter. Dadurch dass sie in vielen Firmen gearbeitet hätten, würden sie viele Arbeitsprozesse kennen. "Der negative Touch der Leiharbeit ist Geschichte", sagt er.

Der Personalverantwortliche von Magna Peter Zulehner lobt auch die Flexibilität Leiharbeiter. In Zeiten des Facharbeitermangels wäre es für Magna ohne Leiharbeit noch schwieriger, an qualifiziertes Personal zu kommen, sagt Zulehner. Etwa, weil er nur über Leiharbeit einen Werkzeugmacher aus Oberösterreich in die Steiermark bekommen könne.

Nachteile für Beschäftigte
Christoph Klein von der Arbeiterkammer sagt, es sei besonders wichtig, dass Leiharbeiter gleich bezahlt würden wie Angestellte. Wenn die Angestellten über dem Kollektivvertrag bezahlt würden, und die Leiharbeiter nur den Mindestlohn bekommen, würden sich die Leiharbeiter als Mitarbeiter zweiter Klasse fühlen. Probleme gäbe es auch wenn Überstunden nicht, oder nur teilweise bezahlt würden.

Viele Leiharbeiter, vor allem schlechter Qualifizierte, leiden unter einem zerstückelten Arbeitsleben, sagt Klein, das heißt, einmal sind sie beschäftigt, dann sind sie wieder arbeitslos, obwohl die Leiharbeitsvermittler ihre Beschäftigten in Österreich eigentlich auch dann halten müssen, wenn sich nicht sofort ein neuer Betrieb für sie findet, das ist aber oft nicht der Fall.

Ein Wunsch der Arbeiterkammer ist es, die gesetzliche Behaltefrist von zur Zeit fünf auf mindestens 14 Tage auszuweiten und die Zeiten, in denen kein Job da ist für Weiterbildung zu nutzen, um dem Fachkräftemangel auch auf diese Art zu bekämpfen.

Chancen durch Leiharbeit
Während Arbeitnehmer-Vertretern Leiharbeit früher generell verurteilten, sehen sieht der Arbeiterkammer-Experte bei der modernen Leiharbeit auch Vorteile, vor allem für ältere Arbeitslose, die nur mehr schwer eine fixe Anstellung finden würden.

Aber auch für junge Beschäftigte ist Leiharbeit mittlerweile oft die einzige Chance, in ihrem Wunschbetrieb eine Stelle zu bekommen. Denn immer mehr Unternehmen verwenden Zeitarbeit als verlängerte Probezeit, bevor sie jemanden fix aufnehmen. Die Leiharbeit sei ein Türöffner für die Industrie, sagt Panholzer von Trenkwalder. Leiharbeitagentur seien auch oft das Recrutingbüro für Unternehmen.

Dementsprechend verlässt ein Drittel aller Leiharbeiter Trenkwalder innerhalb eines Jahres in Richtung einer festen Anstellung. Bei Magna wird rund ein Fünftel der der Leiharbeiter in die Stammmannschaft übernommen, bei KEBA ist es sogar die Hälfte.

Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 23. Mai 2008, 9:45 Uhr

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