Dr. Pennwiesers Notfallambulanz für Fußballer

Platzwunde

Seit Jahren kümmert sich der Allgemeinmediziner Wolfgang Pennwieser in seiner Zeitungsrubrik um die großen und kleinen Wehwehs der Kicker. Nun sind veröffentliche und unveröffentlichte Ambulanzen zu einem Buch zusammengefasst worden.

Sie bringen Farbe in den Sonntagnachmittags-Alltag der hiesigen Notfallambulanzen: die Fußballer, die in bunten Trikots und aus verschiedenen Spielklassen stammend die Notaufnahmen der Spitäler frequentieren. Knapp die Hälfte aller behandlungsgwürdigen Sportunfälle sind fußballesterischer Ursache. Und das sei auch durchaus gut so, findet Dr. Pennwieser, wenn er schreibt.

Für das Personal ist das Eintreffen eines Kickers eine schöne olfaktorische Abwechslung. Für kurze Zeit durchströmt der Duft von frischem Gras die ansonsten nach herben Desinfektionsmitteln muffelnden Krankenhausräume.

Der Bänderriss

Doch die Freude für die Angestellten währt nur kurz, denn die Fußballer kommen schließlich unselektiert in die Ambulanz: blaue Zehe, Nasenbeinbruch, Supinationstrauma alias Überknöchern oder gar Bänderriss, zum Beispiel des Kreuzbandes.

Typischerweise kommt diese Verletzung beim Fußball dann vor, wenn der Gegenspieler von der Seite reingrätscht, es zu einer Auswärtsdrehung des Beins und zu einem Knicken des Kniegelenks nach innen kommt.

Klingt kompliziert, aber in etwa so: "Als ob ein Holzsteckerl abbricht. Knacks hat's gemacht", lautet dann auch meist die lakonische Erklärung des Patienten, wenn er auf der Untersuchungsliege den Vorgang schildert. Das Kniegelenk ist inzwischen wie ein Krapfen aufgedunsen ist und schmerzt natürlich. Alles halb so wild, beruhigt Dr. Pennwieser.

Ob operiert wird hängt schließlich von den sportlichen Ambitionen des Verletzten ab. Grundsätzlich ist das Kniegelenk den täglichen Ansprüchen auch ohne vorderes und hinteres Kreuzband gewachsen.

Genderpolitisch unkorrekte Verletzungen

Dr. Pennwieser klärt im weiteren Verlauf genau über Operationstechniken an und die Funktion der rund 35 Millimeter langen bindegewebigen Faserzüge auf. Der Leser wird aber nicht nur orthopädisch, sondern auch genderpolitisch erleuchtet. Sehr interessant in dieser Hinsicht ist etwa die Information samt kritischer Erläuterung im Unterkapitel "reißfreudigere Frauenbänder".

Frauen verletzen sich fast immer ohne Fremdeinwirkung, lässt Dr. Pennwieser den Trainer der Frauennationalmannschaft Ernst Weber klagen.

Vier unserer letzten fünf Spielerinnen hatten einen Kreuzbandriss ohne Gegner."

Frauentrainer Webers Erklärung:

"Bei den Madeln ist es eindeutig deswegen, weil sie weniger Kräftigungsübungen machen und oft über ihre eigenen Grenzen gehen."

Die Riss-Quetschwunde

Wegen der amateurhaften Strukturen im österreichischen Frauenfußball hätten die Spielerinnen auch nicht die Gelegenheit, professionell zu trainieren. Nach wie vor müssen sich die Teamspielerinnen für Trainingscamps der Nationalmannschaft von ihrer Arbeit extra beurlauben lassen.

Selbstlos und mit viel Engagement betreiben diese Frauen den Fußballsport, im Spiel übersteigen oft der Ehrgeiz und die Einsatzbereitschaft die körperlichen und technischen Fähigkeiten.

Eine durch Vollkontakt mit einem anderen Spieler hervorgerufene und daher für unsere Madeln eher untypische Fußball-Verletzung und gleichzeitig die wohl lautmalerischste aller Kicker-Weh-Wehs ist die sogenannte Riss-Quetschwunde, im Volksmund wenig spektakulär Platzwunde genannt. Sie ist eine von Dr. Pennwiesers Lieblings-Läsionen.

Ähnlich wie mit einer Bürobedarfsklammermaschine werden die Wundränder aneinander gelegt und durch einen Metallzwicker verbunden. Der Spieler bekommt einen Verband als Turban und ist dadurch zusätzlich motiviert.

Schmerzkiller Adrenalin

Diese körpereigene Substanz Adrenalin scheint auch bei brutalen Verletzungen der Männlichkeit Wunder zu wirken, wie der Fall des Chavdar Yankov zeigt. Der Spieler von Hannover 96 wurde bei einem Grätschmanöver am Penis verletzt. Starke Schmerzen und eine Turnhose voller Blut waren die Folge einer vier Zentimeter langen Risswunde am Gemächt.

Der unerschrockene Bulgare wollte dennoch nicht ausgetauscht werden. Der Doktor pickte die Peniswunde zunächst mit einem Gewebekleber zusammen und wickelte einen dicken Verband um das Glied des Offensivmannes. Yankov spielte daraufhin nicht nur weiter, er erzielte auch das vorentscheidende Tor zum 2:0.

Nach dem Spiel so Dr. Pennwieser musste dann schließlich doch noch genäht werden, denn die Gefahr, dass die Wunde bei einer Erektion aufreißt, wäre zu groß gewesen.

Sport ist trotzdem nicht Mord

Wir haben es immer schon gewusst, werden sich jetzt einige Hörerinnen und Hörer denken, Sport ist Mord! Und um ehrlich zu sein: Nach der Lektüre von Dr. Pennwiesers Notfallambulanz für Fußballer, die eine lückenlose enzyklopädische Auflistung aller möglichen und auch unmöglichen Verletzungen bietet, könnte so mancher Hobbykicker an der Sinnhaftigkeit seines Tuns zu zweifeln beginnen. Nicht so der Autor. Der begeisterte Freizeitfußballer antwortet auf die Frage, ob Hobbykicken angesichts der von ihm beschriebenen massiven Weh-tu-Gefahr überhaupt noch Lust bereite, "ja!".

Hör-Tipp
Kontext, Freitag, 6. Juni 2008, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Wolfgang Pennwieser, "Platzwunde. Dr. Pennwiesers Notfallambulanz für Fußballer", Czernin Verlag

Link
Czernin Verlag - Platzwunde