Fan sein heißt vor allem leiden
Sympathisch bis fanatisch
Fußballfans genügen sich nicht in der Rolle des passiven Zuschauers. Der mehr oder weniger spannenden Bewegung auf dem Spielfeld setzen sie eine körperliche und seelische Bewegtheit gegenüber, die sich nicht in bloßem Anfeuern und Konsumieren erschöpft.
8. April 2017, 21:58
Egyd Gstättner über Leid und Leidenschaft
Richtige Fußballfans glauben, ihr Verein gehört eigentlich ihnen und dass sie bei allem, was dort passiert, das unverbriefte Recht hätten, mitzubestimmen. Klubpräsidenten, Funktionäre und Sponsoren finden es - salopp gesprochen - niedlich, wenn viele aus voller Inbrunst den Namen ihres Klubs in die Welt hinausbrüllen. Manche meinen es sogar aufrichtig, wenn sie die Fans ihres Klubs als die besten der Welt bezeichnen.
Nur irgendwann hört sich die Gaudi auf und dann beginnt der Ernst, oft nur der Ernstl, noch viel öfter der Windhauch eines verlogenen Ernstchens des Lebens, desjenigen des Fußballs. Sobald es ein bisschen kriselt, wenn der groß angekündigte sportliche Erfolg ausbleibt, demonstrieren die Fans lautstark ihren Unmut. Oder sie schweigen vielsagend aus Protest.
Liebhaber der Fußballkultur
Auch der Schriftsteller Egyd Gstättner ist keiner von den Fans, die sich für ihre Mannschaft heiser brüllen. Er ist eher einer, der sich andachtsvoll hingibt. Zurzeit nicht einmal das, denn seinen Lieblingsverein gibt es nicht mehr. Der Klagenfurter war seit seiner Kindheit glühender Anhänger des SK Austria Klagenfurt, mit dem er zahlreiche Höhen und Tiefen erlebt hat.
Im Jahr 1999 wurde der Verein in FC Kärnten umbenannt und im Jahr 2007 machte dieser FC Kärnten damit auf sich aufmerksam, dass er nicht durch sportliche Leistungen, sondern durch den Kauf der Lizenz vom oberösterreichischen Klub FC Pasching in die Fußball-Bundesliga aufstieg. Das war nicht mehr der Klub von Egyd Gsättner und als Trost bleiben ihm 25 Videokassetten mit allen Spielen seines inzwischen "gestorbenen Vereins".
Passion!
Egyd Gstättner wollte am Ball bleiben und musste sich deshalb eine andere Mannschaft suchen, der er seine Zuneigung schenken konnte. Die Wiener Vereine oder gar die Salzburger Red Bulls kamen für den Kärntner nicht in Frage. Das für ihn logische Ersatzprogramm war die Hinwendung zur österreichischen Nationalmannschaft. Eigentlich galt dieser seit dem ersten, gemeinsam mit der Oma erlebten, TV-Match, seine Zuneigung - eine Sympathie, die durchaus "Karfreitags-Passions-Züge" besitze, so der Autor des kürzlich erschienenen Buches "Feine Fallrückzieher". Es sei eine Leidenschaft mit durchaus hohem Masochismus-Faktor, denn:
"Österreich ist keine Fußballnation. Österreich ist eine Kulturnation. Kultur ist natürlich keine Kunst. Fußball wäre eine Kunst. Früher, als der Weltfußball schlecht und unbedeutend war, war der österreichische Fußball gut und bedeutend. Je besser jedoch der Fußball weltweit wurde, desto schlechter wurde er in Österreich: Daran hat sich auch jetzt, knapp vor der Europameisterschaft im eigenen Land, leider nichts Gravierendes geändert. Kein anderes Land Europas war einmal so groß und ist jetzt so klein - das meine ich fußballerisch ebenso wie politisch, und das muss Auswirkungen auf die Seele eines Volkes und eines Landes haben. Immerhin ist Österreich ein sympathischer Gastgeber und hat sich mit den meisten Niederlagen von allen teilnehmenden Nationen für die EM qualifiziert."
Die wahre Lehre
Ein beliebter Gemeinplatz zur Erklärung der Faszination des Fußballspiels ist der Satz: "Es ist die schönste Nebensache der Welt." Der richtige Fan, für den der Verein noch vor Frau und Kind kommt, eine unqualifizierte Behauptung von an "schönem Fußball Interessierten". Bill Shankly, der legendäre schottische Spieler und Trainer des FC Liverpool, bringt die Maxime wahrer Fans, echter Supporter und treuer Anhänger auf den Punkt: "Einige Leute halten Fußball für einen Kampf auf Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich versichere ihnen, dass es viel ernster ist."
Hör-Tipp
Hörbilder, Samstag, 7. Juni 2008, 9:05 Uhr
Buch-Tipp
Egyd Gstättner, "Feine Fallrückzieher. Kleine Fußballkunststücke", Pichler Verlag