Kroatischer Enthüllungsjournalist schwer verletzt
Journalisten als Polizisten?
Sensationsgeschichten bringen den Besitzern kroatischer Zeitungen nicht nur Geld ein, sondern decken auch kriminelle Strukturen bis in die höchste politische Ebene auf. Konsequenzen hat das selten für die Täter, oft für die Aufdecker.
8. April 2017, 21:58
Spätestens als Dusan Miljus, Journalist der kroatischen Tageszeitung "Jutarnji List" seine eigene Todesanzeige im Konkurrenzblatt "Vecernji List" las, war ihm und seiner Zeitungsredaktion klar, "dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis ihm irgendetwas zustieße", erzählt sein Redaktionskollege Hrvoje Appelt. Mittlerweile liegt der 47-jährige Enthüllungsjournalist - zwar immer noch am Leben -, aber schwer verletzt in einem Zagreber Krankenhaus. Zwei unbekannte Täter hatten ihn am Abend des 2. Juni mit Metallstangen vor seinem Haus zusammengeschlagen.
Überfall war absehbar
"Das war ganz klar absehbar", meint Appelt, der seit zehn Jahren mit Miljus zusammenarbeitet. Immer wieder schrieb Miljus über organisiertes Verbrechen, wollte Missstände und Korruption aufdecken, zuletzt veröffentlichte er eine ganze Artikelserie. Immer wieder bekam er Drohungen. Er und auch Appelt haben schon einige Erfolge zu verzeichnen, allerdings könnte sie das eines Tages ihr Leben kosten.
Dass Miljus nun genug davon haben könnte, Polizist zu spielen, glaubt Appelt nicht: Viele Journalisten habe er mittlerweile kommen und gehen sehen. "Die meisten geben auf, wenn sie das zweite oder dritte Mal bedroht werden. Dieser Beruf ist nur etwas für sehr Mutige", sagt er.
Polizeilicher Schutz wird nicht immer gewollt und auch eher selten gewährt. "Unsere Berufsgruppe ist ja nicht gerade beliebt bei staatlichen Institutionen, schließlich sind wir es, die immer wieder die korrupten Verhältnisse dort aufdecken", so Appelt.
Vom Feind der Politiker zum Feind der Mafia
Zrinka Vrabec, ehemals Chefredakteurin des unabhängigen und für seine kritische Haltung während des Tudjman-Regimes bekannten Radios 101 erinnert sich an Zeiten, in denen Journalisten noch gefährdeter waren - allerdings kam der Druck damals noch von politischer Seite.
"Heute kann man nicht sagen, dass Politiker dermaßen Druck auf uns ausüben, wie es in den 1990er Jahren der Fall war. Es ist die organisierte Kriminalität, von der dieser Druck heute ausgeht, und diese ist mit den Zentren politischer Macht eng verbunden", sagt Vrabec. Korruption und kriminelle Privatisierung öffentlich zu machen sei heute weitaus gefährlicher als die Regierung zu kritisieren.
Illegale Ermittlungen
"Wir machen den Job der Polizei, aber es ist mehr als das", so Appelt. Die Methoden, die er und seine Kollegen anwenden, um Kriminelle zu überführen, beinhalten schließlich strafbare Handlungen wie das Einsehen in Bankkonten und ähnliches. Das bedarf es aber auch, um, wie in Appelts Fall, nach sechsmonatiger Detektivarbeit und der Veröffentlichung der Ergebnisse über einen ebenso langen Zeitraum den damaligen Außenminister Miomir Zuzul wegen seiner kriminellen Bereicherung 2005 zu Fall zu bringen - er trat freiwillig zurück, nachdem Medien immer wieder über Korruptionsvorwürfe berichtet hatten.
Die Polizei dankt es ihnen jedenfalls nicht: Nur selten führen sie die Ermittlungen der Journalisten weiter oder bringen Personen tatsächlich vor Gericht.
Auch die Bevölkerung hat andere Sorgen:
"Mit 500 bis 600 Euro Einkommen im Monat liegt das Hauptinteresse der Bevölkerung immer noch im Überleben und nicht in der Veränderung der Gesellschaft", meint Vrabec. Die Menschen seien zu oft enttäuscht worden nach all den Berichten über Korruption während der letzten 15 Jahre, von denen kaum einer Konsequenzen für die beschuldigten Politiker oder Kriminellen trug.
Unglaubwürdige Sensationsgier
Aber auch die Journalisten seien nicht unschuldig an ihrer Unbeliebtheit bei der Bevölkerung, sagt Vrabec: "Die Zeitungen arbeiten für den Profit ihrer Besitzer und sind extrem sensationsfixiert, viele Berichte haben sich im Nachhinein als unwahr erwiesen. Zusammen mit den Politikern sind Journalisten ganz unten auf der Skala der Glaubwürdigkeit", sagt sie.
"Jutarnji List" gehört zu 49 Prozent der European Press Holding, die wiederum zu 50 Prozent im Besitz der Mediengruppe Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) ist. "51 Prozent sind immer noch in kroatischem Besitz - ich hoffe doch, dass es noch so ist", spielt Appelt auf die undurchsichtigen Besitzverhältnisse im Mediensektor an. Das Konkurrenzblatt "Vecernji List" gehört seit 2000 der österreichischen Styria Medien AG.
"Sicher, die ausländischen Konzerne wollen Profit machen und stecken nicht gerne Geld in groß angelegte Recherchen. Bisher habe ich aber noch genug Raum, die Dinge zu machen, die mir wichtig sind", so Appelt.
Eins ist jedenfalls sicher: Sollten er oder Miljus jemals mit dem Schreiben aufhören, werden sie Millionäre, denn "wie man in dieser Gesellschaft zu Geld kommt ohne damit aufzufallen wissen wir Journalisten durch jahrzehntelange Recherchen im kriminellen Milieu wohl am Besten", sagt er lachend.
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