Luc Bondy im Gespräch

Achte auf deine Gedanken!

Luc Bondy wurde 1948 in Zürich geboren und verbrachte einen Teil seiner Kindheit in Frankreich. 2001 hat er die Intendanz der Wiener Festwochen übernommen. Sein Vertrag wurde kürzlich bis 2013 verlängert.

Luc Bondy im Gespräch mit Michael Kerbler

"Mein Vater entdeckte mich etwa mit siebzehn Jahren, als ich ihm einen Aufsatz von mir gab. Er schüttelte nur den Kopf und sagte: Schreib!". Der Publizist Francois Bondy hatte damals die Hoffnung, sein Sohn Luc würde sich der Literatur zuwenden und nicht dem Theater, das er für unseriös hielt.

Michael Kerbler spricht mit Luc Bondy über seine Lehrjahre in Paris, über die Rolle des Theaters, über das Schreiben - "es ist das, was ich liebsten tue" - und über die Bedeutung von Erinnerung, auch jener an den Vater.

Michael Kerbler: Theater mag viel für Sie sein, aber jedenfalls ist es keine moralische Anstalt. Richtig?
Luc Bondy: Naja, es kommt darauf an, in welchem Sinn. Es muss schon etwas erhellend sein. Erhellend - da meine ich, es soll schon eine Art Vertrauen geben. Das Vertrauen zum Beispiel, dass Schauspieler etwas durch sich hindurch so vibrieren lassen können, etwas so gestalten können, ohne sich zu verstellen - im Gegenteil, indem sie sich nicht verstellen -, irgend etwas zu vermitteln, was diese merkwürdige Wandlung ist vom Nichtspielen ins Spielen. Das ist eine so großartige Sache! Die liegt sehr tief.
Das Stück, das ich gerade mache, "Die Zofen", ist die Beschäftigung genau damit. Diese zwei Zofen, zum Beispiel, können gar nicht existieren, wenn sie nicht gerade spielen. Sonst fühlen sie sich als nicht existent. Und sie müssen geradezu zwanghaft spielen und sich verstellen. Die eine muss noch einmal ihren Zustand so spielen, und die andere muss die wohlhabende Madame spielen, um überhaupt zu sein. Und das ist ja das Problem der Schauspieler! Ich bin der Meinung, dass ein Schauspieler übrigens sehr oft zu große Persönlichkeiten spielt (bestimmt nicht immer, es gibt Ausnahmen). Aber diesen Übergang zu bringen, zu spielen und nicht zu spielen, das ist doch irgendwie ein Wunder. Das ist wie das Wunder, zu sein und nicht zu sein.

Jean Luc Godard hat über Filmregisseure gesagt: "Ein guter Regisseur ist eine Person, die die Kamera dazu benützt, um etwas zu sehen, was man ohne Kamera nicht sieht". Wie verhält sich's mit dem Theater?
Genau so! Also, das ist, glaube ich, das Wesentliche überhaupt. Weil man hält die Zeit durch Hören und Schauen an. Das ist natürlich im Film noch großartiger, weil er die Realität, das Authentische, die Wirklichkeit noch einmal anders zeigen kann. Das heißt, dass sie immer anderswo sind, als dort, wo man sie sehen kann, also eine platonische Idee. Die stimmt einfach.

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Im Gespräch, Donnerstag, 12. Juni 2008, 21:01 Uhr

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