Letzte Autorin des deutschen Prag

Lenka Reinerova gestorben

Lenka Reinerova galt als die letzte Zeugin der versunkenen Epoche der deutschen, tschechischen und jüdischen Literatur in Prag. Lenka Reinerova starb am Freitagnachmittag im Alter von 92 Jahren in ihrer Wohnung in der tschechischen Hauptstadt.

Aus Prag, wo Lenka Reinerova aufgewachsen war, musste sie vor den Nationalsozialisten nach Mexiko fliehen. Als einzige ihrer Familie hat sie den Holocaust überlebt.

1948 ist Lenka Reinerova nach Prag zurückgekehrt. In Büchern wie "Das Traumcafe einer Pragerin", "Mandelduft", "Zu Hause in Prag - manchmal auch anderswo" oder "Alle Farben der Sonne und der Nacht" hat sie ihre Erinnerungen aufgeschrieben.

Umstürze bestimmten ihr Leben

"Wenn Sie wissen wollen wie Franz Kafka gesprochen hat, hören Sie Lenka Reinerova zu", empfahl der Berliner Verleger und Autor Klaus Wagenbach. Schließlich gebe es nur wenige Phasen der Geschichte, die so reich seien an grundlegenden Umstürzen, fügt Lenka Reinerova hinzu und diese Umstürze, die haben ihr ganzes Leben bestimmt.

Als Tochter einer Deutschböhmin und eines tschechischen Eisenwarenhändlers geboren, ist Lenka Reinerova im Prag der 1920er und 1930er Jahre aufgewachsen, im Prag der tschechischen, deutschen und jüdischen Kultur. "Ich war Pragerin", sagt sie, "das andere hat bis Mitte der 1930er Jahre keine Rolle gespielt."

Vom Prag von damals erzählt Lenka Reinerova in ihren Romanen und Erzählungen. Und vom Wandel der Zeit, nachzuhören etwa in dem Hörbuch "Mandelduft". Die Zeiten haben sich gewandelt seit Lenko Reinerova in ihrem Prag eine journalistische Laufbahn begann - bei der "Arbeiter-Illustrierten-Zeitung", die der deutsche, kommunistische Verleger Willi Münzenberg gegründet hatte. Ihr Vorbild damals: Egon Erwin Kisch.

Stalinistische Verfolgung

Reinerovas erster Chefredakteur damals war F. C. Weiskopf. Wie er emigrierte Lenka Reinerova 1939 - zunächst nach Paris, wo bereits Egon Erwin Kisch, Bodo Uhse und Anna Seghers lebten. Ihre Erinnerungen an diese Zeit hat Lenka Reinerova unter dem Titel "Es begann in der Melantrichgasse" niedergeschrieben.

Sie erzählt von F. C. Weiskopf, dem bereits die Flucht nach New York gelungen war, und der sich von dort aus um die Rettung der Freunde bemühte. Einer nach dem anderen konnte aus dem besetzten Frankreich entkommen, und 1941 erreichte auch Lenka Reinerova das ersehnte Telegramm: "Visum und Schiffskarte für Mexiko unterwegs." In Mexiko arbeitete sie für die tschechoslowakische Exil-Regierung, die in London saß. Nach Kriegsende ist Lenka Reinerova nach Prag zurückgekehrt. Nur wenig später, 1952, wurde sie Opfer der stalinistischen Verfolgungen - angelastet hat man ihr eine ganze Menge.

Schreibverbot

Ohne offizielle Anklage verbrachte Lenka Reinerova 15 Monate in Untersuchungshaft. Drei Jahre nach ihrer Entlassung hat sie ihre Erinnerungen an diese Zeit aufgeschrieben, aber niemand in der Tschechoslowakei wollte das Buch drucken. Erst 1968, im kurzen politischen Frühling, fand sie einen Verlag, doch schon wenige Wochen später wurde der Band eingestampft. Lenka Reinerova wurde mit Schreibverbot belegt, verlor ihre Arbeit und wurde aus der Partei ausgeschlossen. Erst nach der politischen Wende 1989 durfte sie wieder publizieren. Bis zuletzt schrieb Reinerova in deutscher Sprache.

Für die deutsche Literatur setzt sie sich auch tatkräftig in ihrer Heimatstadt ein. Sie engagierte sich für ein Prager Literaturhaus, ein Haus für die deutsche Literatur aus Prag - mit einer Bibliothek, in der die Werke von Max Brod, Franz Werfel, Franz Kafka und Egon Erwin Kisch, Rainer Maria Rilke, Johannes Urzidil, Leo Perutz und F. C. Weiskopf gesammelt sind.

Buch-Tipps
Lenka Reinerova, "Es begann in der Melantrichgasse", Aufbau Verlag

Lenka Reinerova, Hörbuch "Mandelduft", Audio-Verlag