Die Euro aus der Bühnenperspektive
Wenn Maertens schneller spielt
Burgschauspieler Michael Maertens war zuletzt in Wien mit der ganzen breite seines Könnens zu erleben, von "Julius Caesar" bis "Arsen und Spitzenhäubchen". Wenn er als Darsteller auf die Tube drückt, kann das nur einen Grund haben.
8. April 2017, 21:58
Maertens und der Fußball
"Spielfreie Tage sind für mich grauenhaft", gestand Burgschauspieler Michael Maertens am Samstag im "Ö1 Klassik-Treffpunkt". Gemeint waren nicht Tage ohne Bühnenauftritt, sondern Tage ohne EM-Spiel. "Da gerate ich in eine Art Depression und weiß kaum was mit mir anzufangen. Da fällt man als Fußballfreund in ein tiefes Loch."
Dass nun, nach dem Ende der Euro 2008, Maertens nicht tief fallen wird, dafür wird sein Terminplan sorgen. Es warten große Aufgaben: 2008 wird der gebürtige Hamburger in der Burgtheater-Inszenierung von Goethes Faust I und II den Mephisto spielen.
Hadern mit den Arbeitszeiten
Während der Euro hatte Maertens "leider ab und zu zu arbeiten", scherzte er im Gespräch mit Otto Brusatti. "Ich spiele sehr gerne, das ist ein Beruf, den ich sehr sehr gerne ausübe. Aber wenn Fußball ist, dann mag ich's wirklich nicht. Dann beneide ich die Leute, die ganz normal aufstehen und bis um 18:00 Uhr arbeiten und dann nach Hause gehen dürfen - die Zeit, wo ich mir erst auf den Weg mache ins Theater."
Er als Schauspieler wisse sich jedoch zu helfen: "Ich habe bei einem Stück ausgerechnet - das dauert eine Stunde und fünfundvierzig Minuten, dass, wenn wir heute Abend nur eine Stunde und dreißig Minuten spielen würden, ich die zweite Halbzeit noch ganz sehen könnte. Dann habe ich den Kollegen scheinheilig gesagt: 'Mensch, ich hab das Gefühl in der letzten Zeit die Vorstellung schleppt sich so ein bisschen. Lasst uns doch mal alle vornehme, ein bisschen zügiger im Kopf und ein bisschen schneller zu spielen."
Maertens habe das Hauptdarsteller das Tempo vorgegeben, die Kollegen hätten mitgezogen: "Wir haben eine Stunde und 25 Minuten gebraucht - fast 20 Minuten schneller als sonst. Das Publikum hat genauso applaudiert wie sonst. Dann durfte ich wenigstens die zweite Halbzeit sehen."
Shakespeare und Kesselring
Am Wiener Burg- und Akademietheater spielte Maertens zuletzt so unterschiedliche Rollen wie den Marc Anton in Shakespeares "Julius Caesar" und den Mortimer Brewster in Kesselrings Komödie "Arsen und Spitzenhäubchen".
Maertens wurde 1963 in Hamburg geboren und entstammt einer Theaterfamilie. Nach dem Besuch der Schule in München folgte er dem Ruf ans Hamburger Thalia-Theater, wo sein Vater und sein Bruder bereits engagiert waren. Für seine erste Rolle erhielt er 1989 den begehrten Boy-Gobert-Preis; 1989/1990 wurde er zum Nachwuchsschauspieler des Jahres gewählt.
Zu Gast in der Heimatstadt
Nach kurzer Zeit spielte er an den großen deutschen Theatern; Stationen waren das Schiller Theater und das Deutsche Theater in Berlin, die Münchner Kammerspiele, das Berliner Ensemble und das Bochumer Schauspielhaus. Als Gast spielte er am Hamburger Schauspielhaus und am Berliner Maxim Gorki Theater.
Für seine Rollen in Claus Peymanns "Richard II." am Berliner Ensemble und seinem umjubelten Bochumer Einstand mit Turrinis "Die Eröffnung" wurde Michael Maertens von der Kritik 2001 zum "Schauspieler des Jahres" gekürt. Für seine Darstellung des Anatol (Regie: Luc Bondy) bei den Wiener Festwochen 2002 erhielt er den Gertrud-Eysoldt-Ring. Im Kino war Michael Maertens unter anderem in Leander Haußmanns "Sonnenallee" zu sehen.
Michael Maertens spielt regelmäßig am Wiener Burgtheater. Von 2001 bis 2005 war er festes Mitglied des Ensembles des Schauspielhauses Bochum. Seit der Spielzeit 2005/2006 ist er am Schauspielhaus Zürich fest engagiert.
Hör-Tipp
Ö1 Klassik-Treffpunkt, jeden Samstag, 10:05 Uhr
Link
Wiener Burgtheater