Die Geburt eines Genres

Brian Enos Ambient-Musik

Was 1975 mit "Discreet Music" begann, mündete 1978 in einer legendären LP, die den Beginn eines ganzen Genres markiert: Brian Enos "Ambient # 1: Music For Airports". Musik, die endgültig nichts als der perfekte Hintergrund sein wollte.

Ausschnitte aus "Discreet Music" und "Music For Airports"

Vor 30 Jahren erschien Brian Enos Album "Ambient # 1: Music For Airports", auf dem heute ein ganzes Musikgenre gründet. In einer vierteiligen Zeit-Ton Reihe erforschen wir die Beziehung von Raum und Klang heute und tauchen zu Beginn auf der Suche nach den Wurzeln hinab in die Geschichte.

Es gab ein klares künstlerisches Ziel, als Brian Eno 1975 daran ging, die zurückhaltenden Klangwelten zu entwickeln, an denen er alleine im Studio gebastelt hat. Veröffentlich wurde das Ergebnis auf der LP "Discreet Music".

Zuhören und überhören

In seinen eigenen Worten lautet das Ziel noch ganz unprätentiös und einfach: "I was trying to make a piece that could be listened to and yet could be ignored". Musik also, der man ebenso gut aufmerksam zuhören kann wie man sie gelassen und ohne gestört zu sein überhören kann.

In den Liner-notes zu "Discreet Music" benennt Brian Eno dezidiert einen musikgeschichtlichen Einfluss. Er schreibt, er hätte diese Konzeption entwickelt: "Perhaps in the spirit of Erik Satie who wanted to make music that could “mingle with the sound and of the knives and forks at dinner".

Der englische Exzentriker, Künstler und Musiker Eno griff Ideen des Komponisten Erik Satie auf.

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Licht, Wärme und Komfort

Seit Satie hatte inzwischen John Cage die Musik erfolgreich von allem möglichen befreit, die Ausgangslage war günstiger. Wieder ging es darum, den perfekten Hintergrund zu gestalten, interessant genug, um etwaiges Zuhören zumindest für eine Weile herausfordernd sein zu lassen, aber zugleich unaufdringlich genug, um nicht zu stören, wenn man von Kunst gerade nichts wissen will, beziehungsweise nicht mehr als von angenehmen Licht, Wärme und Komfort.

Schon mit dezent diskreten Alben wie "Discreet Music“ von 1975 war das Konzept eigentlich formuliert, Freunde wie Gavin Bryars kooperierten und 1978 war auch das Wort gefunden, als "Ambient # 1: Music for Airports“ erschien. Weitere Mitstreiter in Sachen Ambient waren Max Eastley, David Toop und Michael Nyman.

Abgeben der Autorschaft

Bei "Discreet Music" wird ein Mechanismus ohrenfällig, der vielleicht nicht für Michael Nyman und die anderen zutrifft, aber Enos eigenen Ansatz klar und deutlich macht, nämlich das - zumindest teilweise - Abgeben der Autorschaft an die Maschine. Brian Eno kannte sich im Kunst- und Philosophiekontext seiner Zeit gut aus, wusste vermutlich nicht nur um John Cage, sondern auch um dessen Freund David Tudor und dessen Vorliebe für Schaltkreise Bescheid. Jedenfalls übernimmt er nicht nur Saties ästhetisches Konzept, sondern auch David Tudors Radikalität, das künstlerische Ich in einen einmal gebauten Schaltkreis aufgehen zu lassen.

Schon seit er 1964 die Möglichkeiten eines simplen "tape recorders“ erkannt hätte, merkt Eno an, sei er an der Inszenierung dezenter Feedback-Schleifen interessiert gewesen. Eno verwendete eine geschenkt bekommene Pachelbel-Kanon-Platte, baute einen behutsam agierenden Schaltkreis, durch den er die Musik schickte, und bekam am Schluss Ambient avant la lettre heraus. Er nannte die Schaltkreise "self-regulating und "self-generating systems“ und beschrieb seine eigene Rolle "the discipline to accept this passive role“.

In der Philosophie wurde von der Auflösung des Ichs, der Identität, des Zentralkonzepts gesprochen, Brian Eno löst sich auf in Pachelbel und diesen in Schaltkreise. Eno nannte dieses Stück aus dem Jahr 1975 "Variation on the Canon in D Major by Johann Pachelbel".

Musik für Flughäfen

1978 ließ Brian Eno den Überbegriff "Discreet Music“ ebenso hinter sich wie den Labelnamen "Obscure“ und veröffentlichte die Platte mit dem Titel "Ambient # 1“, also Musik, die endgültig nichts als der perfekte Hintergrund sein wollte, Musik, die wie Licht, Geruch und Atmosphäre einfach das Befinden in einem Raum gestaltet. Raumklang - Klangraum eben.

Aber Brian Eno dachte nicht an Wohnzimmer, Galerieräume oder Büros, sondern in größeren Dimensionen: Music for Airports. Wiederum schwebende Musik, ein bisschen so, als würde man tatsächlich hinter einer Glasscheibe ständig Flugzeuge abheben oder landen sehen. "Concept, Design and Production by Brian Eno" steht auf der Platte, Komposition natürlich auch von Brian Eno, nur bei einem Stück war Robert Wyatt musikalisch mitbeteiligt, auch als Pianist, nämlich bei dem schlicht "1/1" genannten Eröffnungsstück. Eine legendäre Platte und der Beginn eines ganzen Genres.

Hör-Tipps
Zeit-Ton, Donnerstag, 3. Juli, Donnerstag, 10. Juli, Donnerstag, 17. Juli und Donnerstag, 24. Juli 2008, 23:05 Uhr