Ein schlaues Virus
Hepatitis C
Weltweit rund 170 Millionen Menschen sind mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert. Das Virus ist schlau wie kaum ein anderes. Es trickst das Immunsystem nach Strich und Faden aus. Die Medizin schuf sich dieses Hepatitis-Problem quasi selbst.
8. April 2017, 21:58
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit etwa 170 Millionen Menschen mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert. Das Fatale an diesen Infektionen: sie verlaufen zu einem hohen Prozentsatz symptomlos und gehen ohne Warnsignale in eine chronische Hepatitis (Leberentzündung) über, aus der sich dann schleichend eine Leberzirrhose und daraus wiederum ein Leberkarzinom (Leberkrebs) entwickeln kann. Nur ein sehr geringer Prozentsatz der Infizierten reagiert auf das Virus mit einer akuten Hepatitis und den dafür spezifischen Symptomen wie Gelbverfärbung der Haut und der Augenbindehäute.
Die relativ kleine Gruppe der spontan beziehungsweise akut auf das Virus Reagierenden hat einen doppelten Vorteil: zum einen ist die akute Entzündung ein Zeichen, dass das Immunsystem "heftig" auf das Virus reagiert und das erhöht die Chance, die Gefahr aus eigener Kraft zu bannen; zum anderen bleibt durch die akute Hepatitis die Infektion nicht unerkannt und kann möglich früh behandelt werden, so der Organismus nicht allein damit fertig wird. Doch bei der weitaus größeren Zahl der Infizierten nimmt das Schicksal einen anderen Verlauf.
Die Medizin schafft sich selbst ein Problem
Das Land mit der höchsten Durchseuchungsrate ist Ägypten und das kam nicht von ungefähr. Schistosomiasis oder Biharziose, eine durch Saugwürmer verursachte chronische Infektionskrankheit, die nicht nur den Urogenitaltrakt und den Darm sondern auch die Leber befallen kann, stellte in Ägypten lange Zeit ein enormes Gesundheitsproblem dar. Zur Bekämpfung der Schistosomiasis ließ das ägyptische Gesundheitsministerium - unterstützt von der Weltgesundheitsorganisation - von den 1950er bis in die 1980er Jahre in Massentherapien Brechweinstein intravenös spritzen.
Dabei wurden offenbar die Spritzen nicht ausreichend desinfiziert, sodass in großem Ausmaß das damals noch nicht bekannte Hepatitis-C-Virus übertragen wurde. Als später das Hepatitis-C-Virus erstmals serologisch nachgewiesen werden konnte, stellte sich heraus, dass die meisten Lebererkrankungen, die man bis dahin der Bilharziose zugeschrieben hatte, auf das Konto des Hepatitis-C-Virus gingen.
Blutprodukte gelten als sicher
In Ägypten dürften an die 50 Prozent der Bevölkerung infiziert sein. Weltweit sind Millionen von Menschen nicht nur - so wie in Ägypten - durch verunreinigte Spritzen, sondern auch durch verseuchtes Blut und kontaminierte Blutprodukte infiziert worden.
Seit das Virus 1989 von amerikanischen Forschern identifiziert wurde, werden Blut und Blutprodukte sehr genau auf Hepatitis-C-Viren gescreent und gelten heute als weitestgehend sicher. Die relevanteste Gefahrenquelle ist heute der intravenöse Drogenkonsum, wenn sich Drogenkranke dasselbe Spritzbesteck teilen.
Große Herausforderung für die Hepatologie
Es gibt nicht das Hepatitis-C-Virus, vielmehr kennt man heute sechs - mehr oder weniger miteinander verwandte - Genotypen mit unterschiedlichem geografischem Ursprung. Der im europäischen, nordamerikanischen und japanischen Raum "heimische" Genotyp 1 ist unerfreulicherweise auch jener, der auf die heute zur Verfügung stehenden Medikamente (Interferon und antivirale Substanzen) am wenigsten gut anspricht.
Nur in 40 Prozent der Fälle kann das Virus durch die Behandlung komplett eliminiert werden. Ähnliches gilt für den auch bei uns vereinzelt nachweisbaren "ägyptischen" Genotyp 4. Besser sprechen der im mediterranen Raum vorkommende Genotyp 2 und der mit der Drogensucht aus Pakistan zu uns gekommene Genotyp 3 (25 Prozent der Infizierten in Österreich haben diesen Genotyp) auf die Kombinationstherapie an. Bei diesen beiden Genotypen liegt die Heilungsrate bei an die 70 Prozent. Von neuen Medikamenten, die zum Teil schon in klinischer Erprobung sind, erwartet sich die Medizin eine Anhebung der Heilungsrate - vor allem bei den schwer zu behandelnden Genotypen.
Schlau wie kaum ein anderes Virus
Das Hepatitis-C-Virus hat nicht nur eine hohe Mutationsrate (es verändert sehr rasch seine Oberflächenstruktur, an der es vom Immunsystem erkannt werden könnte), das so wie das FSME-Virus zu den Flaviviren zählende Hepatitis-C-Virus ist zudem äußerst schlau - es trickst das Immunsystem sozusagen nach Strich und Faden aus.
Es verhindert die Bildung einer effizienten Immunantwortung, indem es auf sehr komplexe Weise die Signalübertragung zwischen Zelloberfläche und Zellkern unterbindet, sodass kein bzw. nur unzureichend Interferon gebildet wird. Und Interferon ist der Stoff, aus dem die Immunantwort ist; Interferon ist die wichtigste Substanz, die Zellen zur Verfügung haben, um eine wirksame Immunantwort gegen Viren einzuleiten. So ist die Gabe von Interferon auch eine der tragenden Säulen der heute gängigen Hepatitis-C-Therapie.
Hör-Tipp
Dimensionen, Donnerstag, 3. Juli 2008, 19:05 Uhr