Richtig streiten als Chance?

Der Feind im Büro

Konflikte sind Teil des beruflichen Alltags. Sie können aus Kleinigkeiten entstehen und eskalieren, wenn sie nicht rechtzeitig gelöst werden. Verletzte Gefühle verhindern meist die klare Sicht auf die Hintergründe und die Folgen.

Wie im privaten Alltag entstehen Konflikte im Beruf meist aus Kleinigkeiten: Kollegen debattieren über die angenehme Raumtemperatur, darüber, wer den Papierstau im Kopierer wieder entfernt, wer Papier nachfüllt oder die Kaffeemaschine abdreht. Kindergartenanlässe - könnte man meinen; alles kein Problem - könnte man sagen, und so einfach ist es auch, wenn die Kollegen offen miteinander sprechen.

Verletzte Gefühle geschickt verpackt

So einfach ist es dann doch wieder nicht, denn hinter fast jedem Konflikt stehen Gefühle wie Neid, Angst, Wut oder ein Mangel an Liebe und Anerkennung, die auch Teil des Konflikts selbst sind. Im Berufsalltag werden diese Gefühle meist gut versteckt und in ein Sachproblem "verpackt". Anordnungen der Vorgesetzten werden nicht richtig umgesetzt, weil der Mitarbeiter sich zu wenig geschätzt fühlt und frustriert ist.

Konfliktfeld Arbeitsplatz

Der Beruf bietet eine ganze Menge Konfliktpotenzial: Vorgesetzte, die ihre Führungsfunktion nicht erfüllen, sorgen für Zwist unter den Mitarbeitern. Ein dominanter, vielleicht schreiender Chef, der nur seine Meinung gelten lässt, treibt sein Unternehmen in die Lethargie und seine Mitarbeiter in die "innere Kündigung". In Zeiten von Einsparungen und Kündigungen steigt der Leistungsdruck, Konkurrenzkämpfe werden härter und die Menschen empfindlicher. Die "kleinen" Probleme im Zusammenarbeiten häufen sich und werden nicht rational diskutiert sondern gefühlsträchtig aufgebauscht. Viele Mücken machen einen Elefanten.

Die Eskalationsspirale

Der Kollege, der nicht grüßt, gilt schnell als unfreundlich und arrogant; der, der immer das Fenster aufreißt, weil er so schwitzt, wird als rücksichtslos verurteilt und schneller als beabsichtigt eskaliert ein Konflikt. Mitarbeiter sprechen und arbeiten nicht mehr miteinander und lassen keine Stichelei aus. Sie beziehen Kollegen mit ein, verbreiten Gerüchte über den anderen, versuchen, ihm Steine in den Weg zu legen und drohen mit körperlicher Gewalt - manche wenden sie auch an.

Tausend Mal gehört

"Jeder Mensch hat eine andere Wirklichkeit, eine andere Wahrnehmung, ein anderes Wertesystem, das kann man nicht oft genug sagen", meint Helga Pammer, Fachhochschulprofessorin und Erwachsenenbildnerin mit dem Fachgebiet Konfliktmanagement. Schreien, beschuldigen, abwerten, niedermachen - das hilft im Konfliktfall sicher nicht. Stattdessen gilt es ruhig und sachlich "Ich-Botschafen" zu formulieren, "aktiv zuzuhören" und das Suchen nach einer fairen Lösung im Gespräch mit dem anderen zu betonen, sagt sie. Sie rät, zumindest noch "eine Nacht drüber zu schlafen", bevor man vielleicht im Affekt eine unüberlegte Handlung setzt.

Delegation und Flucht

Auch der Weg zum Vorgesetzten kann helfen. Ratsam ist auch, einen Blick auf mögliche Folgen eines Streits zu werfen: Lohnt sich ein Disput mit dem Chef, wenn es um eine Gehaltserhöhung geht? Auch Nachgeben ist eine Option, jedoch eine wenig ratsame, wenn man sich beruflich weiterentwickeln will.

Der Konflikt als Chance

Konflikte sind Teil des menschlichen Zusammenlebens und sollten auch im Berufsalltag nicht als etwas Negatives betrachtet werden, plädiert die Rechtsanwältin, Mediatorin und Konflikttrainerin Sylvia Freygner für ein Umdenken. Sie, die täglich "streiten muss", sei es in Mandantengesprächen oder Verhandlungen, sieht Konflikte als Chance zur Veränderung und auch als Chance für die persönliche Weiterentwicklung. "Wer sich nicht auseinandersetzen kann und will, steht still", sagt sie.

Hör-Tipp
Moment, Dienstag, 15. Juli 2008, 17:09 Uhr

Buch Tipps
Helga Pammer, Alexandra Huemer, "Soziale Kompetenz für Praktiker. Sich selber kennen, Beziehungen sinnvoll gestalten", Linde Verlag

Berndt Zuschlag, Wolfgang Thielke, "Konfliktsituationen im Alltag: Ein Leitfaden für den Umgang mit Konflikten in Beruf und Familie", Verlag für Angewandte Psychologie

Thomas Gordon, "Die neue Beziehungskonferenz. Effektive Konfliktbewältigung in Familie und Beruf.", Heyne Verlag

Tanja Baum, "Die Kunst, freundlich ' Nein' zu sagen. Konsequent und positiv durch Beruf und Alltag", Ueberreuter Wirtschaft

Christoph Thomann, Wibke Stegemann, "Klärungshilfe, Konflikte im Beruf", Rowohlt Taschenbuch

Clemens Hausmann, "Konflikte am Arbeitsplatz erfolgreich bewältigen. Ein Ratgeber der Arbeiterkammer Salzburg", Arbeiterkammer Salzburg

Links
Bundesministerium für Justiz - Mediation in Zivilrechtssachen
Arbeiterkammer Wien - Mobbing
ÖGB - Mobbingberatung