Zwischen Diskriminierung und Selbstbehauptung
Die Rechte von Mädchen
Auch knapp 60 Jahre nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist es ein weiter Weg bis zur universellen Durchsetzung der Rechte von Mädchen. In vielen Kulturen werden Mädchen traditionellerweise diskriminiert.
8. April 2017, 21:58
Mich stoppt keiner: Dieses Lebensmotto hat sich Salma, die aus einer einfachen muslimischen Familie im indischen Bundesstat Tamil Nadu kommt, schon in ihrer Kindheit zurecht gelegt, und es war gut so: Die Schule musste sie auf Druck der Eltern zwar nach einigen Jahren abbrechen, auch einer frühen Heirat entkam sie nicht.
Doch sie begann zu schreiben und schickte unter einem Pseudonym ihre Gedichte an Literaturzeitschriften. Heute ist sie als feministische Dichterin anerkannt und als Lokalpolitikerin tätig - ungeachtet des Widerstands seitens ihrer Eltern, ihres Ehemannes, der Schwiegereltern - und der Morddrohungen, die sie wegen ihrer Gedichte, die auch Sexualität thematisieren, erhalten hat.
Diskriminierung beginnt von Geburt an
Mit mir geht keiner so um: Für Mädchen und junge Frauen, die sich zur Wehr setzen, gibt es in Indien Millionen Beispiele. Doch es ist ein harter Kampf um Selbstbehauptung, den Millionen anderer Mädchen weltweit verlieren.
"Unsere Kulturen diskriminieren gegen Mädchen von frühester Kindheit an, ja schon von Geburt an. Wenn eine Frau ein Mädchen zur Welt bringt, dann wird sie nicht geschätzt, denn sie hat die Erwartungen nicht erfüllt", erzählt Winifred Masiko, Abgeordnete im Parlament von Uganda und Vorsitzende des Verbands der ugandischen Parlamentarierinnen. "Die Diskriminierung beginnt also bei der Geburt und geht von da an immer weiter."
Mangel an Mädchen
Die Präferenz für Söhne hat dazu geführt, dass in Indien und China heute 100 Millionen Frauen "fehlen", das heißt, gäbe es keine Diskriminierung gegen Mädchen und keine Abtreibung weiblicher Föten, würden in Indien und China heute 100 Millionen Frauen mehr leben.
"Leider gibt es keinen Hinweis darauf, dass der Mangel an Mädchen zu einer höheren Wertschätzung von Mädchen führt", sagt Siri Tellier, China-Expertin des UNO-Bevölkerungsfonds UNFPA. "Im Gegenteil, der Mangel an Mädchen führt dazu, dass Mädchen noch mehr missbraucht werden, dass Bräute geteilt und verliehen und Mädchen und junge Frauen gehandelt werden."
Kinder- und Frauenhandel ist jedoch nicht nur in Asien ein enormes Problem. Weltweit fallen nach Schätzungen der Vereinten Nationen pro Jahr rund 1,2 Millionen Mädchen und Buben Menschenhändlern zum Opfer. 1,8 Millionen Kinder werden zu Prostitution und Pornografie gezwungen, Mädchen sind davon weitaus stärker betroffen als Buben.
Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie
Für Europa und auch Österreich sind alle drei Bereiche - Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie - von größter Relevanz. Europäer und damit auch Österreicher gehören zu den Konsumenten von Kinderpornografie und den Tätern im Sextourismus. Rund 500.000 Frauen werden nach Angaben der EU jährlich in Westeuropa zur Prostitution gezwungen. Experten gehen davon aus, dass 60 Prozent der gehandelten Frauen Minderjährige sind, sagt die Politikwissenschafterin Mary Kreutzer, die gemeinsam mit Corinna Milborn das Buch "Ware Frau: Auf den Spuren moderner Sklaverei von Afrika nach Europa" verfasst hat.
Ende November dieses Jahres wird nun in Brasilien der 3. Weltkongress gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern abgehalten. Man will beraten, wie man die bestehenden internationalen Abkommen und nationalen Gesetze
verbessern und vor allem auch umsetzen kann. Knapp 60 Jahre nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Dezember 1948 stellt sich diese Frage allerdings bei allen Konventionen und Gesetzen über die Rechte von Mädchen und Frauen: Viele Rechte bestehen bis heute lediglich auf dem Papier.
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 21. Juli bis Donnerstag, 24. Juli 2008, 9:05 Uhr
Buch-Tipp
Mary Kreutzer, Corinna Milborn, "Ware Frau: Auf den Spuren moderner Sklaverei von Afrika nach Europa", Ecowin Verlag 2008
Tina Ring, Carolin Tener, "Auf dem Strich: Mädchenprostitution in Wien", Milena Verlag 2007