Zwischen Klang und Raumspekulation
Getunte Stadt Berlin
Ein fünftägiges Ausstellungs- und Konferenzprojekt fragte Anfang Juli nach einer Neubewertung architektonischer Räume aus der Perspektive des Akustischen, und lud dabei unter anderem auf den Alexanderplatz und in das ehemalige DDR Rundfunkgebäude.
8. April 2017, 21:58
Zum Verschnaufen und Reflektieren blieb an diesen fünf Tagen Anfang Juli in Berlin kaum Zeit, die kurzen Pausen zwischen den einzelnen Programmpunkten verbrachte man nämlich vorwiegend damit, sich von A nach B zu beeilen. Tuned City spannte sich über die gesamte Stadt, und die einzelnen Veranstaltungsorte klangen alle viel zu spannend, um sie einfach nicht aufzusuchen.
Es sei ihnen auch sehr wichtig gewesen, die Fragen über die Beziehung von Klang und Raum eben dort aufzuwerfen, wo sie sich stellen, so Carsten Stabenow, der gemeinsam mit Gesine Pagels das Projekt Tuned City initiiert und konzeptioniert hat.
Tour de Force durch die ganze Stadt
Und so luden Carsten Stabenow und Gesine Pagels ihr Publikum etwa dazu ein im Hallraum und im reflexionsarmen Raum der TU Berlin der Wirkung von Klang im Raum auf Körper und Geist selber nachzuspüren.
Auf dem Alexanderplatz am Fuße des Fernsehturms wurde inmitten des städtischen Treibens gemeinsam über Ursache und Wirkung von Klang im öffentlichen Raum nachgedacht. Und im ehemaligen Rundfunkgebäude der DDR konnte man schließlich erleben, welchen Hörgenuss Räume bieten können, wenn sie tatsächlich aus der Perspektive des Akustischen gebaut wurden.
Aurale Architektur
Carsten Stabenow und Gesine Pagles lösten damit einen Wunsch ein, den der renommierte Toningenieur Barry Blesser, unter anderem Ko-Autor des Buches "Spaces Speak, Are You Listening? Experiencing Aural Architectur" in seinem Eröffnungsvortrag indirekt formulierte. Blesser stellte darin das Konzept der "auralen Architektur" vor, die auf fünf verschiedenen Arten von "auraler Räumlichkeit" aufbaut, auf der navigatorischen, sozialen, symbolischen, ästhetischen und musikalischen Räumlichkeit.
Die musikalische Räumlichkeit sei sehr genau studiert worden, so Blesser, und es sei viel Wissen darüber gesammelt worden, wie Konzerthallen zu bauen sind, aber niemand hätte bislang versucht, die dort gewonnenen Erkenntnisse auf die anderen vier Räumlichkeiten anzuwenden, "ganz so als könnte man sie voneinander trennen".
Plug into a buliding
Rund um eine eintägige Auftaktveranstaltung beim diesjährigen Club Transmediale Ende Jänner hatten Carsten Stabenow und Gesine Pagels nach Architektinnen und Architekten gesucht, die an Kooperationen mit Klangkünstlerinnen und Klangkünstlern interessiert waren, um schließlich im Auftrag von Tuned City bis zur Hauptveranstaltung im Juli ein gemeinsames Projekt zu entwickeln. Daraus ist unter anderem "Bug. Plug into a building" von Mark Bain, b&k und Arno Brandlhuber entstanden.
Bain wird im Gemäuer eines fünfstöckigen Galeriegebäudes, das in den nächsten Monaten in der Berliner Brunnenstraße entstehen wird, eine Reihe von Geosensoren platzieren. Neben jedem Lichtschalter wird es schließlich einen Kopfhöreranschluss geben, in den man sich einstöpseln kann, um etwa der Materialspannung zu lauschen. Bei Tuned City konnte man bereits in das Fundament horchen. Zu diesem Projekt inspiriert hätten ihn nicht zuletzt Geschichten über die Stasi, so Mark Bain, die - eben gerade auch in Berlin - fleißig Gebäude verkabelt hätten, um vermeintlich Verdächtige abzuhören.
Getunte Stadt Kairo?
Und es gibt auch schon erste Pläne für Folgeveranstaltungen. Danach gefragt antwortet Carsten Stabenow: "Es wäre spannend, das Projekt auch in anderen Städten fortzuführen, Interesse gibt es hier etwa in Kairo und das wäre natürlich auch noch einmal eine ganz andere Herausforderung, da es sich hierbei ja um ein völlig anderes kulturelles und soziales Setting handeln würde. Klang hat in Kairo eine ganz andere Funktion."
Hör-Tipp
Zeit-Ton, Donnerstag, 24. Juli 2008, 23:05 Uhr
Buch-Tipp
"Tuned City. Zwischen Klang- und Raumspekulation", Hrsg. v. Doris Kleilein, Anne Kockelkorn, Gesine Pagels und Carsten Stabenow, mit Beiträgen von u.a.: Barry Blesser und Linda-Ruth Salter, Pascal Amphoux und Grégoire Chelkoff und Mark Bain
Link
Tuned City