Mythos mit Aktualität
Die Himmelskönigin Aphrodite
Alle Völker erzählen ihre Geschichte, alle ein wenig anders: Die Geschichte der Aphrodite ist eine weltumspannende, wer die Globalisierung abschätzig sieht, muss die Mythen meiden. Zuletzt erlangten sie und ihr Mythos erstaunliche Aktualität.
8. April 2017, 21:58
Auf einmal ist sie erstaunlich aktuell: Venus Aphrodite. Vor 100 Jahren wurde die Venus von Willendorf gefunden, am 7. August 1908 schrieb der Direktor der anthropologisch-prähistorischen Sammlung des Naturhistorischen Museums, dass ein Arbeiter "im Feld 'Kulturgeschichte 9' ein völlig gut erhaltenes Steinfigürchen gefunden hätte."
Es war der aus Italien stammende Johann Veran, der die 11,7 Zentimeter große Steinzeitfrau gefunden hatte. Sie ist wie ihr Finder eine Einwanderin, ihr Kalkstein ist aus Brünn.
60 Schwestern
Walpurga Antl-Weiser, für sie zuständige Wissenschafterin im Naturhistorischen Museum, kennt 60 Schwestern, ähnliche Statuen: ebenso breite Hüften, keine Füße, gesichtsloser Kopf. Das Jahr 2008 ist das Venusjahr, da durfte sie genau 100 Jahre nach ihrer Auffindung wieder an den Ort Willendorf zurückkehren, ein Fest wurde für sie gefeiert. Danach, seit dem 8. August 2008 abends, ist sie im Naturhistorischen Museum ausgestellt, bis 1. Februar 2009 mit dreien ihrer Schwestern in einer Ausstellung "Rätsel Steinzeitkunst".
Clemens Krauss, der Textdichter des "Capriccio", lässt die viel Begehrte vom Dichter Olivier besingen:
Kein andres, das ich so wie dich begehrte
Und käm von Venus mir ein Angebot.
Venus, also Aphroditens Geburt, beginnt auf der Erde, zu einer Zeit, als diese noch eine Frau ist.
Weltumspannende Geschichte
Alle Völker erzählen ihre Geschichte, alle ein wenig anders: Die Geschichte der Aphrodite ist eine weltumspannende, wer die Globalisierung abschätzig sieht, muss die Mythen meiden.
Ein griechischer Geburtsmythos erzählt, dass Aphrodite der Vereinigung des Zeus mit der Erdgöttin Dione entsprang.
Ein anderer - wahrscheinlich syrischen Ursprungs - erzählt vom Ei, das vom Himmel in den Fluss Euphrat gefallen sei. Das Ei ist ein bekannter Ursprungsmythos, indische Mythen geben das Ei als Quelle des Klanges an, ein Eiertanz ist nicht nur heikel, sondern auch der Tanz mit dem Ursprungsmythos.
Tauben brüteten Venus aus
Das Ei also, ein riesenhaftes, das Aphrodite umschloss, wurde von Fischen an die Ufer des Euphrat gerollt. Tauben setzten sich drauf und brüteten Venus aus, die auch die syrische Venus genannt wurde. Die Fische und die Tauben machten ihre Aufgabe so gut, dass ihnen Zeus gestattete, sich zu den Sternen zu gesellen, seither sind dem syrischen Volk die Fische und die Tauben heilig.
Gaia, Uranus, Kronos
Hesiod gab dem griechischen Volk einen anderen Mythos: Gaia hat sich mit ihrem Gatten, der auch ihr Sohn war, Uranus, entzweit. Seither besteht die Feindschaft zwischen Himmel und Erde. Unter den Kindern, die Gaia dem Uranus geboren hatte, waren die Titanen und die Zyklopen, und drei Monster mit hundert Armen. Uranus verstieß diese und Gaia, die Mutter, schwor Rache. Sie machte eine große Sichel mit Flintsteinzähnen und bat ihre Söhne um Hilfe. Kronos war der einzige, der keine Angst hatte. Als Uranus sich nächtens in der Dunkelheit wie gewohnt auf der Erde ausstreckte, fasste Kronos seine Genitalien und schnitt sie mit der Sichel ab.
Das Blut des Uranus, das auf die Erde tropfte, schwängerte die Erinyen. Die Genitalien warf Kronos ins Meer, dort trieben sie umher. Eros geht der Aphrodite voraus, nach Hesiod; erst später wurde Eros ihr Kind, der Pfeile schießende Knabe, der mutwillig in seinen Köcher greift. Walt Disney hat in seinem legendären "Fantasia" den knabenhaften Eros-Göttern ein zeichnerisches Denkmal gesetzt.
Hör-Tipp
Ö1 extra, Freitag, 15. August 2008, 22:05 Uhr
Buch-Tipps
Geoffrey Grigson, "Aphrodite: Die Biographie", aus dem Englischen von Eva Korhammer, Thiele Verlag
Marios Leis, "Mythos Aphrodite. Texte von Hesiod bis Ernst Jandl", Reclam Leipzig
Karin Gaube und Alexander von Pechmann, "Magie, Matriarchat und Marienkult. Frauen und Religion. Versuch einer Bestandsaufnahme", Rowohlt