Sudan-Feldzug am Ende des 19. Jahrhunderts
Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi
Erstmals auf Deutsch liegt nun eine Auseinandersetzung mit der Geburtsstunde des modernen politischen Islam vor, verfasst von niemand Geringerem als Winston Churchill. Mit 24 führte er im Sudan eine britische Kavallerieschwadron an.
8. April 2017, 21:58
Ich habe den urtümlichen, lebhaften Wunsch, einige dieser abscheulichen Derwische zu töten und den Rest der ärgerlichen Brut in den Orkus zu befördern, und ich sehe voraus, dass mir die ganze Übung großen Genuss bereiten wird.
So martialisch kündigte Winston S. Churchill seinen Entschluss an, am Sudan-Feldzug teilnehmen zu wollen. Als der junge Mann aus bester Familie sich im Sommer 1898 in das afrikanische Land einschifft, ist er noch nicht einmal vierundzwanzig. Und seine Rolle nicht ganz klar; einerseits Kavallerie-Leutnant, andererseits Journalist.
"Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi" heißt das Buch nun in deutscher Übersetzung und dieser Titel führt ein wenig in die Irre. Denn trotz des vorher gehörten Zitats versucht Churchill so neutral zu berichten, wie es einem Engländer im 19. Jahrhundert möglich ist. Selbst der Person, gegen die der Feldzug geplant war, brachte Churchill Hochachtung entgegen.
Welches Unglück auch immer die Karriere von Mohammed Ahmed zur Folge gehabt haben mag, so war er doch ein Mann von unbestreitbar edler Gemütsart, ein Priester, ein Soldat und ein Patriot. Er war in großen Schlachten Sieger geblieben, und er belebte und erneuerte die Religion. Indem er aus Sklaven Soldaten machte, trug er indirekt zur Eindämmung der Sklaverei bei.
Aufstandsbewegung gegen die ägyptische Regierung
Im 19. Jahrhundert stand der Sudan unter anglo-ägyptischer Herrschaft. Muhammad Ahmad, der sich selbst dann Mahdi nannte, war der Sohn eines Bootsbauers und er entwickelte auf seinen Reisen durch den Sudan eine oppositionelle Haltung gegen die Folgen der Fremdherrschaft. Er wandte sich gegen die repressive Steuerpolitik, die Willkür der Beamten und gegen die mangelnde Ernsthaftigkeit bei der Ausübung des Islam unter den ägyptischen Besatzern. Er stellte sich an die Spitze einer Aufstandsbewegung gegen die ägyptische Regierung und erklärte dieser am 29. Juni 1881 schriftlich seine Mission. Diese beschränkte sich nicht auf Sudan oder Ägypten, das gesamte Osmanische Reich von Mekka bis Konstantinopel sollte einem Islamischen Staat nach dem Vorbild der moslemischen Gemeinschaft des 7. Jahrhunderts weichen.
Nach kurzer Prosperität folgte schnell eine 13-jährige Periode noch nicht gekannter Tyrannei und Blutherrschaft. Als dann die Nachfolger von Muhammad Ahmad sich aufmachten, den Dschihad auch nach Ägypten zu tragen, sah sich England endgültig gezwungen, in den Konflikt einzugreifen.
In der Politik wechseln sich immer Zeiten der Entschlossenheit mit Zeiten des Kompromisses ab. Diejenigen, welche die Interessen Ägyptens zu wahren hatten, konnten sich schwerlich mit einer leeren Geste zufriedengeben. Die Absicht der britischen Regierung in dieser Phase musste die Rückeroberung der Provinz Dongola sein – ein klares und berechtigtes Vorhaben und in jedem Fall der erste Schritt zur Rückeroberung des Sudan.
Parteiischer Militärhistoriker
Je näher Churchill den Kampfhandlungen rückt, desto kulturkämpferischer wird seine Perspektive. Er ist nicht mehr vorurteilsloser Beobachter, sondern parteiischer britischer Militärhistoriker, der keinerlei Zweifel an der Gerechtigkeit des Feldzugs hat.
Der Mahdismus ist in seinen Berichten von da an nur mehr eine grausame Massenbewegung, angetrieben von rasenden Derwischen und instrumentalisiert von den Propagandisten des Heiligen Krieges. Churchill ist auch bei der blutigen, aber einseitigen Schlacht von Omdurman dabei. Überlegene europäische Militärtechnologie trifft auf Kämpfer, die außer ihrem Fanatismus nicht viel zu bieten haben.
In einem Zeitraum von fünf Stunden wurden 9.700 Soldaten des Feinds getötet - das sind 32 pro Minute -, bei eigenen Verlusten von insgesamt 482 Getöteten und Verwundeten. "Es war keine Schlacht, sondern eine Exekution", konstatierte George W. Stevens, der als Korrespondent des 'Daily Mail' in Omdurman dabei war.
Interessantes historisches Dokument
Winston Churchills Aufzeichnungen sind ein interessantes historisches Dokument. Man kann hier sehen, wie der Islam erstmals das moderne Gesicht einer radikalen politischen Kraft bekam. Mehr noch aber ist das Buch Beweis, wie sich militärische Berichterstattung geändert hat.
Als Churchills Berichte erstmals als Buch erschienen, umfasste dieses fast 1.000 Seiten. Kaum vorstellbar, sind doch schon die nun vorliegenden 440 Seiten mehr als herausfordernd. Unmengen von Namen, penibelste Auflistung, wer welches Regiment führte und welche Truppen wo was unter wessen Führung getan haben, all das macht die Lektüre von "Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi" mitunter äußerst beschwerlich.
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Buch-Tipp
Winston S. Churchill, "Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi", aus dem Englischen übersetzt von Georg Brunold, Die Andere Bibliothek