Schule der Eltern - Teil 4

Mut zum Leben machen

Viele Eltern handeln nach bestem Wissen und Gewissen und geraten doch von einer Auseinandersetzung zur nächsten. Was tun, wenn das Kind keinen Spinat essen will? Wenn die Lehrerin über Auffälligkeiten klagt? Wie lassen sich Gebote und Verbote umsetzen?

Es sind immer wiederkehrende Themen, die zu Konflikten in Familien führen, erklärt die Kinderpsychologin Ulrike Weiser. Vielen Eltern fällt es schwer, mit ihren Kindern zu reden. Jede Äußerung wird als Angriff gewertet, jede Geste des Kindes wird zur Provokation.

Die Arbeit der Psychologen und Therapeuten ist es dann, das Augenmerk der Eltern auf jene Dinge zu legen, die gelingen. Sie zeigen den Eltern auf, welche Möglichkeiten in der Beziehung zu ihren Kindern stecken.

Kommunikation üben

Um die Belastungen des Alltags zu verringern, hilft es oft, den Familien konkret Ressourcen zur Verfügung zu stellen, zum Beispiel in Form einer Leihoma, die bei den Hausaufgaben hilft oder das Mittagessen zubereitet. Doch im Zentrum der therapeutischen Arbeit steht die Beziehung zwischen Eltern und Kindern.

Ulrike Weiser rät den Eltern, ein Tagebuch führen, in dem sie verzeichnen, was tagsüber gut funktioniert hat. Oder: vor dem Einschlafen dem Kind einen positiven Gedanken schicken.

Freiraum gewähren - Regeln setzen

Diese Lernprozesse brauchen viel Zeit und Geduld. Für die Logotherapeutin Boglarka Hadinger aus Wien sind Liebe, Zuneigung und Respekt die Basis im Beziehungsfeld zwischen Eltern und Kindern. Wenn es aber zu Konflikten kommt, wenn das Kind den Eltern widerspricht und seinen Willen durchsetzen will, sollten Eltern souverän und bedächtig reagieren. Und diese Haltung lässt sich üben.

In ihrer Praxis begegnet Boglarka Hadinger zunehmend Kindern, die mit Depressionen kämpfen, mit Jugendlichen, deren Lebenslust und deren Lebensfreude eingeschränkt sind, denn trotz reichhaltiger Freizeitangebote haben Kinder und Jugendlich heute kaum Orte, wo sie sich erproben können. Schulischer Leistungsdruck und eine straff durchorganisierte Freizeitgestaltung verhindern, dass sie selbst entdecken können, was ihnen gefällt und wo ihre Begabungen liegen. Dieses Problem spitzt sich mit zunehmendem Alter zu, denn gerade Jugendlichen brauchen einen Freiraum, in dem sie selbständig agieren können.

Aussprache mit Altersgenossen

Jugendliche brauchen das Gespräch mit Altersgenossen. Peergroups übernehmen wichtige soziale Funktionen. Hier fühlen sich viele Eltern ausgeschlossen. Sie fürchten, an Einfluss zu verlieren. Sie haben Angst, dass sie die Situation nicht mehr kontrollieren können und vermuten, dass ihr Kind unbekannten Gefahren ausgesetzt ist.

Doch auch hier gilt es wieder, eine Balance zu finden zwischen dem Gewähren lassen und dem Einfordern von Regeln.

Keine Tricks und Kniffs

Das geht oft nicht ohne Proteste ab und wird zur Belastungsprobe eines Familiensystems. Die Montessoripädagogin Saskia Haspel rät dazu, auf die innige Beziehung zum Kind zu vertrauen - und standhaft zu bleiben. Entscheidend ist es, in diesen Auseinandersetzungen dem Kind nicht die Würde zu nehmen. Und viele Regeln lassen sich leichter durchsetzen, wenn Kinder in die Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden.

Saskia Haspel: "Regeln dürfen aber nicht tricky sein. Wenn ich 10:00 Uhr sage, dann muss ich 10:00 Uhr meinen, sonst durchschauen das die Jugendlichen. Erwachsene müssen eine Ordnung vorgeben, und Jugendliche wollen diese spüren, auch wenn sie sich dagegen auflehnen."

Loslassen können

Eltern sind das Vorbild ihrer Kinder. Als die älteren und erfahreneren Menschen zeigen sie den Jungen, wie sie sich in der Gesellschaft zurecht finden können. Sie geben Richtungen vor und vermitteln Kompetenzen. Ihr Ziel, dass Kinder selbstständig denkende und handelnde Menschen werden, erreichen sie dann, wenn sie sich dieser Verantwortung bewusst werden. Dazu gehört auch, die Kinder ziehen zu lassen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, dass diese in die Welt hinaus treten wollen. Und ihnen Mut zu machen, dieses Leben in Angriff zu nehmen.

Mehr dazu in oe1.ORF.at
Kinder und Erwachsene
Lernen und entwickeln
Nein - aus Liebe

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 8. September bis Donnerstag, 11. September 2008, 9:05 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at