Medienkunst oder Wissenschaft

Hybride Kunst

Unter dem Titel "Campus" werden auf der Ars Electronica seit einigen Jahren Arbeiten von Medienkunststudierenden gezeigt. Heuer ging die Einladung allerdings nicht an eine Kunsthochschule, sondern an die allgemeine Universität Tokyo.

Vor ein paar Jahren wurde an der Universität Tokyo ein interdisziplinärer Lehrgang ins Leben gerufen, der zum Ziel hat, die Verbindung von Medienkunst und Technik neu zu überdenken. Junge Ingenieure arbeiten dort mit Medienkünstlern zusammen.

Was dabei herauskommt sind Tarnmäntel die am Anime "Ghost in the Shell" inspiriert sind, Roboter zum Kuscheln oder eigenwillige Drehorgeln, die durch Seifenblasen immer neue Melodien erzeugen. Die Installation hat den Titel "Ephemeral Melody", also vergängliche Melodie, weil es unmöglich ist eine einmal gespielte Melodie zu wiederholen. Kurbeln die Besucher an einer unscheinbaren Box blubbern schillernde Seifenblasen durch die Luft. Zerplatzen sie dabei an unterschiedlich langen Kupferstäben, erzeugen die Blasen Töne, die von einem Koto stammen könnten, dem traditionellen japanischen Seiteninstrument.

Zwischen realen und virtuellen Welten

Kuratiert wurde die Ausstellung mit dem Titel "Hybrid Ego, towards a new Horizon of hybrid art" von Tomoe Moriyama, Professorin für Medienkunst an der Universität Tokyo und Kuratorin des Metropolitan Museum of Contemporary Art in Tokyo. Für sie ging es vor allem darum zu zeigen welche Auswirkungen neue Technologien auf die Wahrnehmung des Körpers haben und wie es zunehmend schwierig wird, die Begriffe Kunst und Technologie voneinander abzugrenzen.

Und eine Grenze gibt es hier wirklich nicht. Die insgesamt 25 Projekte bewegen sich am schmalen Grad zwischen realen und virtuellen Welten, Kunst und Wissenschaft. Riesig ist die Bandbreite der ausgestellten Arbeiten. Sie reicht vom poetischen Seifenblaseninstrument, bei dem die Technik nahezu unsichtbar ist, bis hin zu Arbeiten, bei denen die Technologie im Mittelpunkt steht. Den japanischen Technikstudierenden geht es weniger darum Kunstwerke anzufertigen, als um die Frage wie Mensch und Maschine kommunizieren können, auch ohne Bildschirm Maus oder Tastatur. Und da gibt es durchaus kreative Vorschläge.

Wie kommunizieren Mensch und Maschine?

So kann man beispielsweise ausprobieren, wie sich virtuelle Glasmurmeln in einer Schachtel anfühlen. Beim Projekt "Gravity Grabber" bekommt man eine Art elektronischen Fingerhut angeschnallt und spielt mit einem Plexiglaswürfel. Per Mausklick werden am Bildschirm Murmeln in die Box gefüllt. Je nachdem wie viele virtuelle Murmeln am Bildschirm, in die Box gefüllt werden und darin herumkullern, ändert sich real das Gefühl in den Fingern.

Nebenan lockt ein hölzerner Guckkasten den Besucher in sein Inneres zu sehen. Die Box scheint zuerst leer. Doch beginnt der Besucher zu sprechen, kann er sich selbst von hinten, beim in die Box rein schauen, zusehen. Alvaro Cassinelli, Assistenzprofessor an der Universität Tokyo, interessiert sich für künstliche Autoskopie, also so genannte künstliche Selbstbetrachtung. Wir leben ja bekanntlich mit der Tatsache, dass wir unseren eigenen Körper nicht aus verschiedenen Perspektiven ansehen können, sagt er. In allen Kulturkreisen gibt es aber Berichte von außerkörperlicher oder Nahtot-Erfahrung, das heißt dass Menschen in extremen Situationen oder auch durch Kopfverletzungen ausgelöst, ihren eigenen Körper von außen wahrnehmen.

Die Installation Boxed Ego verschafft somit dem Betrachter, eine außerkörperlichen Erfahrung. Mit einem Augenzwinkern versteht sich.

Medienkünstler oder Wissenschaftler

Auf die Frage ob er sich nun eher als Medienkünstler oder als Wissenschaftler sieht, antwortet der aus Uruguay stammende und gelernte Physiker ungern. Die Trennung von Kunst, Wissenschaft und Technologie funktioniert für ihn gerade in Japan überhaupt nicht und das hat historische Gründe.

Denn im Japanischen gab es das Wort Kunst bis ins 20. Jahrhundert gar nicht. Malerei und Bildhauerei galten als Handwerk und nicht als Kunst. So gesehen liegt die Verbindung zwischen Handwerk, Technologie und Kunst im heutigen Japan sehr nahe.

Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 14. September 2008, 22:30 Uhr

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