Spitzenorchester aus aller Welt
Das Lucerne Festival feiert Geburtstag
Heute gehört das Lucerne Festival zu den meistbesuchten Festspielen der Welt, was die klassische Musik, aber auch die Moderne betrifft. Kammermusik und ein Composer in residence (diesmal: George Benjamin) ergänzen das Bild.
8. April 2017, 21:58
70 Jahre Festspiele in Luzern. Das Gründungsjahr der Internationalen Musikfestwochen Luzern ist nicht zufällig jenes, in dem der "Anschluss" des Schuschnigg-Österreich an Hitler-Deutschland stattfand: 1938.
Der Spiritus rector der Festspielgründung hieß zwar nicht ausschließlich Arturo Toscanini, doch sein Name bildete das publizistische Kapital durch das weltweite Aufmerksamkeit für Luzern erzielt werden konnte.
Bayreuth verweigert
Toscanini war bekannt dafür, dass er sich den Bayreuther Festspielen verweigerte, sobald Hitler das Land beherrscht hat und ebenso sagte er den Salzburger Festspielen ab, nachdem der Anschluss vollzogen war. Und das, nachdem er sukzessive eine gewaltig dominierende Präsenz in der Mozartstadt aufgebaut hatte. Er, der zwar ein glühender Wagnerverehrer gewesen ist, der aber für Mozart vergleichsweise wenig übrig hatte.
1933, nach seiner Bayreuth-Absage, konnte er für Konzerte in Salzburg gewonnen werden. 1934 dirigierte er zusätzlich "Fidelio", 1935 eine zweite Oper, 1936 eine dritte, 1937 eine vierte und für 1938 waren zehn szenische Opernproduktionen geplant, fünf davon - "Fidelio", "Zauberflöte", "Meistersinger", "Falstaff", "Tannhäuser" - unter der Leitung Toscaninis.
Luzern statt Salzburg
Doch es kam anders: "Kurz nach dem Anschluss", so schrieb der Toscanini-Biograf Harvey Sachs, "kamen der Bürgermeister von Luzern und andere bedeutende Persönlichkeiten der Stadt am Vierwaldstädter See zu dem Entschluss, den Versuch zu machen, ein kleines Musikfestival zu veranstalten, das vor allem manche jener Musiker einbeziehen sollte, die jetzt nicht mehr in der Lage oder willens waren, in Salzburg zu spielen. Toscanini wurde eingeladen, und er erklärte sich sehr schnell bereit, ein Konzert zu leiten. Schnell war ein Zyklus von acht Konzerten - endgültig wurden es zehn - organisiert. Ansermet begann mit seinem Orchestre de la Suisse Romande im Kursaal von Luzern, der allerdings nur 500 Zuhörer fasste."
Soweit Harvey Sachs. Auf der Homepage der Luzerner Festspiele ist zu lesen:
Die Musikfestwochen gehen auf das Jahr 1938 zurück, als im Rahmen einer Konzertreihe, Arturo Toscanini am 25. August das "Concert de Gala" vor Richard Wagners ehemaligen Wohnsitz auf Tribschen leitete. Dieses Festkonzert wurde von über 80 Sendern in Europa und Amerika übertragen. Als "Festival Toscanini à Tribschen" ging dieses Konzert in die Geschichte ein und seine Durchführung gilt als Geburtsstunde von Lucerne Festival, obwohl bereits im Juli Konzerte unter der Leitung von Ernest Ansermet stattfanden.
Trotz Hitler: Auftakt mit Wagner
Das genaue Programm wird aber dort nicht verraten. Dazu muss man an Ort und Stelle sein und die Villa selbst betreten, die heute ein informatives und atmosphärisch stimmungsvolles Wagner-Museum beherbergt, das durch eine Instrumentensammlung ergänzt wird.
In diesem ersten Luzerner Toscanini-Konzert wurde aber keineswegs nur Wagner-Musik gespielt, wie man an diesem Ort vermuten könnte, sondern das Programm bestand aus Werken von Rossini (die Sinfonia zu "La Scala di Seta"), von Mozart (die Symphonie KV 550, die große g-Moll, von Wagner (das Meistersinger Vorspiel zum 3. Akt und das Siegfried-Idyll). Und nach der Pause kam auch noch Beethoven an die Reihe - mit der Sinfonie Nr. 2 in D-Dur Opus 36.
Von all diesen Werken war es dem Wagnerianer Toscanini natürlich ein besonderes Anliegen, gerade das Siegfried-Idyll an diesem Ort zu dirigieren, vor dem Haus, in dem es komponiert und in dessen Stiegenhaus es - quasi als Morgenständchen für Cosima - uraufgeführt worden ist. Betritt der Museums-Besucher allerdings heute diese Villa in Tribschen, dann findet er im Stiegenhaus bestenfalls Platz für eine rein solistische Streicher-Besetzung des Siegfried-Idylls - während Toscanini natürlich im Park davor ausreichend Platz für eine große Besetzung hatte.
Stille für Toscanini
Amüsant berichtet die Wagner-Museums-Kuratorin der Toscanini-Zeit, welche Vorsichtsmaßnahmen die Stadtverwaltung getroffen hat, damit der für seine Zornesausbrüche berüchtigte Toscanini ungestört im Freien dirigieren konnte. "Man hatte bis und von Vordermeggen, auf der anderen Seite des Sees, wie auch von und bis Haslihorn diesseits, alle Autosignale untersagt, die Dampfer waren über Seeburg geleitet, ebenso ohne An- und Abfahrtszeichen. Die Betriebe am Alpenquai meldeten weder Vesper- noch Feierabendzeit. Um die Tribschenhalbinsel lag Polizei in Booten, die angrenzenden Gehöfte hatten Hühner und Hunde einzusperren, und einige Witzbolde behaupteten, dass man selbst den Enten auf dem See die Schnäbel zugebunden habe, damit sie während des Konzerts nicht schnattern können."
Lucerne Festival 2008
Heute hat dieses Festival in einem kühnen, zehn Jahre alten Bau des französischen Architekten Jean Nouvel eine eindrucksvolle Heimstätte gefunden. Ein gewaltiges Flachdach zieht sich 45 Meter freischwebend bis zum Seeufer. Die Akustik ist nach dem neuesten Stand der Technik mit variablen Nachhallzeiten auf das jeweilige Programm adaptierbar.
Und der Intendant Michael Haefliger gestaltet vom 13. August bis zum 21. September 2008 ein buntes Festspielprogramm, in dem ein eigens vor Ort gegründetes Orchester unter Claudio Abbado ebenso dominiert, wie das Lucerne Festival Academy Orchestra unter Pierre Boulez mit Zeitgenössischem.
Spitzenorchester aus der ganzen Welt
Daneben sind traditionell Spitzenorchester aus der ganzen Welt zu Gast. Für die bisher vernachlässigte Sparte Musiktheater ist ein weiterer Festspielbau in Planung, der hypermoderne "Salle modulable".
Neu ist, dass das Lucerne Festival Orchestra seinerseits Gastspiele in der Musikwelt absolviert: Nach Rom, Tokio und New York in den letzten Jahren, jetzt erstmals - und natürlich unter Abbado - ab 20. September 2008 im Wiener Musikverein.
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Festival Lucerne beginnt
Luzern als Mekka der Konzertmusik
Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 15. September 2008, 10:05 Uhr
Links
Lucerne Festival
Wiener Musikverein