Felix Mendelssohn-Bartholdys Oratorium "Elias"
Höre, Israel
Mendelssohns Oratorium "Elias", sein zweites nach "Paulus", ist das Oratorium des 19. Jahrhunderts schlechthin. Das von tiefem Glauben geprägte Werk war für den zum Christentum konvertierten Komponisten auch eine Berührung mit dem Erbe seiner Väter.
8. April 2017, 21:58
Drei Mal Doppelquartett
Der Beiname Bartholdy geht auf Felix’ Onkel Jacob Salomon zurück, dem Bruder der Mutter Lea. Jacob Salomon war 1805 zum christlichen Glauben konvertiert und nannte sich nun Jacob Bartholdy - eine damals unumgängliche Maßnahme für eine Karriere, besonders im Staatsdienst oder es war, wie Heinrich Heine es ausdrückte, das "Eintrittsbillet in die europäische Kultur".
"Bartholdy" war ursprünglich der Name eines von Salomons Großvater Daniel Itzig gekauften Pachthofes in Berlin-Luisenstadt. Für den Bankier Abraham Mendelssohn, Vater von Felix und seiner Geschwister Fanny, Rebekka und Paul, war die Sache so einfach nicht. Er ließ die Kinder 1816 taufen, folgte auch selbst dem Beispiel seines Schwagers, ohne allerdings seinen alten Namen ganz aufzugeben. Den so entstandenen Doppelnamen wollte er ohne Bindestrich geschrieben sehen, weil der Name Mendelssohn, der ja die jüdische Herkunft unmissverständlich verriet, in der nächsten Generation weg fallen und damit die Familie vollständig christianisiert sein sollte. Felix Mendelssohn und seine drei Geschwister kamen allerdings dem Wunsch des Vaters nicht nach. Sie alle trugen ihren alten Namen mit Stolz und lehnten den Beinamen ab. Man bekannte sich zur Familie und zum berühmten Großvater: Moses Mendelssohn, dem großen Philosophen.
Ein Einsamer wie Oratorienheld Elias
Die vollständige Integration in die Berliner Gesellschaft, sie blieb für die Mendelssohns, auch nach der Taufe, eine Illusion. Der Preis: ein Verlust an Identität. Eine weniger bekannte jüdische Familie, deren getaufte Kinder später Christen heirateten, konnte ihre Vergangenheit vielleicht hinter sich lassen, nicht aber die Familie des einflussreichen Philosophen und Aufklärers, dessen Sohn eines der größten Bankhäuser Berlins leitete und dessen Enkel zu Lebzeiten als der meistgespielte zeitgenössische Komponist galt.
Thomas Pehlken, Herausgeber der Multimediareihe "100 Meisterwerke", in seinem Artikel über das Oratorium "Elias":
So führte Felix Mendelssohn ein Leben zwischen den Gesellschaften, seine Abstammung war bekannt und wurde nicht nur damals, sondern bis heute immer wieder thematisiert. Engere persönliche Bindungen ging Mendelssohn als Erwachsener aber nicht mehr ein, alle guten Freunde stammen aus der Jugendzeit und zählten quasi zur Familie. Gesellschaftlich blieb der erfolgreiche Musiker trotz seiner geselligen Natur isoliert. Mendelssohn, dessen Leben oft als glanzvoll und sorglos dargestellt wird, hatte immer wieder Ablehnung und Demütigung erfahren müssen. Als Kind wurde Felix des Öfteren als Judenjunge diskriminiert und brutal an seine Herkunft erinnert. Als er sich als 24-Jähriger, aber schon reifer Meister auf den Posten des Leiters der Singakademie zu Berlin bewarb und zugunsten eines mittelmäßigen Mitbewerbers abgewiesen wurde, lagen antisemitische Beweggründe auf der Hand. Zunehmend wurde sich der Komponist seiner schwierigen Position in der Gesellschaft bewusst. Er gehörte weder zu den Juden noch zu den (deutschen) Christen und hatte lediglich in der Familie eine Heimat.
Starb ein Familienmitglied, fiel Felix stets in Depression (einen zweiten, nicht unwesentlichen Anteil an seinen seelischen Tiefs war ständige Überlastung: Mendelssohn litt unter heutigen Gesichtspunkten an Burn out). Nach dem Tod seiner älteren Schwester Fanny, im Mai 1847, erholte er sich nicht gar mehr und starb nur ein halbes Jahr später an den Folgen eines Schlaganfalls.
Akustische Illustration des Bibeltextes
Die Herangehensweise einer betont akustischen Illustration eines Bibeltextes rückt das Oratorium "Elias" von Felix Mendelssohn-Bartholdy deutlich in die Nähe der Oratorien Georg Friedrich Händels, mit denen es sich am 26. August 1846, dem Tag der Uraufführung, erstmals messen lassen musste. Ein gewaltiges Aufgebot an Musizierenden war beteiligt: gezählte 396 - davon 125 Orchestermusiker und 271 Chorsängerinnen und Chorsänger.
Der Erfolg war ebenso überwältigend. Das lag weniger an der guten Darbietung, als an der Meisterschaft der Komposition mit ihrer gelungenen Synthese der in England so geschätzten (barocken) Form des Oratoriums mit der romantischen Tonsprache des 19. Jahrhunderts. Diese Synthese wurde damals von vielen Komponisten angestrebt, aber nicht auf dem Niveau des Elias realisiert. Die Times kommentierte den Erfolg: Niemals habe es einen vollkommeneren Triumph gegeben - niemals eine so durch und durch spontane, unmittelbare Anerkennung für ein Meisterwerk der Kunst.
Engelsterzett
Neben dem "Engelsterzett" ist das Doppelquartett "Denn er hat seinen Engeln befohlen", oft ausgekoppelt für Chorkonzerte, das bekannteste Stück aus dem "Elias". Im Original für acht Solostimmen - vier Frauen, vier Männer - wird es seiner schlichten Innigkeit wegen gerne chorisch angeboten und die zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker schwelgen in hohen Lagen im fremden Fach - zu hören in unserem Audio.
Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 17. September 2008, 10:05 Uhr
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